Kampf mit Spaß

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Die Pianistin Khatia Buniatishvili und der Geiger Renaud Capuçon lieferten sich bei ihrem Konzert im Rossini-Saal spannenden Gefechte. Foto: Gerhild Ahnert
Die Pianistin Khatia Buniatishvili und der Geiger Renaud Capuçon lieferten sich bei ihrem Konzert im Rossini-Saal spannenden Gefechte. Foto: Gerhild Ahnert
 

Khatia Buniatishvili und Renaud Capuçon lieferten sich im Rossini-Saal mitreißende Auseinandersetzungen und Versöhnungen.

Es gibt eine Komposition von Antonin Dvorák, die in der breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt ist, die aber jedes Amateur-Streichquartett im Notenschrank hat: "Drobnosti". Das wird immer dann herausgezogen und auf die Pulte gelegt, wenn der Cellist überraschend abgesagt hat. Denn es ist für die Besetzung zwei Violinen und Viola geschrieben und ist auch mal gut vom Blatt zu spielen. Kein Wunder, denn Dvorák hat "Drobnosti" für einen Prager Chemiestudenten geschrieben, der bei seiner Schwiegermutter wohnte und Geigenstunden bekam. Aus verkaufstechnischen Gründen hat Dvorák auf Drängen seines Verlegers Fritz Simrock eine Fassung für Violine und Klavier erarbeitet, die vier "Romantické kusy", die "Romantischen Stücke".
Man merkt auch ihnen die gnädige Machart an, etwa dem hochgradig konfliktfreien Larghetto, in dem ein Sekundintervall aus zwei Tönen in absteigende Lamentoketten vervielfältigt wird, immer wieder, aber immerhin in wechselnden Tonarten - bis zum Abwinken.
Man konnte sich natürlich fragen, warum Khatia Buniatishvili und Renaud Capuçon ausgerechnet auf diese vier Sätze kamen. Denn ein Türöffner für einen großen Abend sind sie bestimmt nicht. Andererseits schadet es schon aus lexikalischen Gründen nicht, auch einmal weniger Anspruchsvolles eines großen Namens vorzustellen. Und sie sind starke Gestalter, die sich das auch leisten können. Denn es gelang ihnen schon über die Klangfarben, einen gewissen Grad an Spannung zu erzeugen. Trotzdem: Jeden Tag braucht man diese Musik nicht.
Ein großer Abend wurde es trotzdem. Khatia Buniatishvili und Renaud Capuçon nahmen das kämpferische Angebot an, das ihnen Edvard Grieg mit seiner Sonate Nr. 3 c-moll op. 45 machte. Das Klavier eröffnete mit geradezu heroisch-pathetischem Zugriff den Kampf um die Themen unter Ausnutzung aller dramatischen Möglichkeiten.
Wunderschön delikat war der zweite Satz, das Allegretto espressivo alla Romanza, das Khatia Buniatishvili ganz delikat im Diskant im Stil einer Spieluhr begann, in den sich Renaud Capuçon mit der Violine hineinsang. Da entwickelte sich eine fröhliche Idylle, in der die beiden plötzlich einen vergnüglichen Csárdás-Rhythmus entdeckten. Überraschend und nicht unbedingt das, was man in einer norwegischen Sonate entdecken würde, aber höchst unterhaltend und eine gute Einstimmung in den dritten Satz, in dem die Folklore unverstellt zum Ausbruch kam.
Allerdings nicht gleich. Denn die beiden begannen mit einem verhaltenen tänzerischen Staccato, das freilich vermuten ließ, dass irgendwann der Deckel wegfliegen würde. Und das tat er natürlich auch: Blitzend, tobend, getrieben von der linken Hand im Klavier ging der Satz fulminant zu Ende.
Eine Überraschung war die A-dur-Sonate von César Franck, die man schon so oft und in allen Bearbeitungen gehört hat. Trotzdem: Neu war der Zugriff von Khatia Buniatishvili und Renaud Capuçon. Denn die beiden befreiten das Werk ganz gründlich von der Patina des steifen Neoklassizismus. Sie verdeutlichten sehr gut die inneren strukturellen Zusammenhänge der vier Sätze, aber auch die emotionalen Linien, die sie durchziehen.
Die beiden Musiker entwickelten eine sehr persönliche Klangsprache für dieses stark konstruierte Werk, spielten ganz auf Dramatik wie zu Beginn des zweiten Satzes, wo die Violine auf der tiefen G-Saite eine enorme Kraft entwickelt, und ließen die Musik am Ende wie einen Spuk im Nichts verschwinden.