Kulturbunt hatte Severin Groebner ins Pfarrzentrum eingeladen.
Ohne Zweifel, der Exil-Wiener Severin Groebner beherrscht ihn gut: den Balanceakt auf dem Hochseil des Satirischen, über Tatsachen und Vorurteilen schwebend. So schlicht und zurückgenommen sein Erscheinen, so treffsicher und tiefschürfend seine Beobachtungen, die zwischen Deutschen und Österreichern hin und her pendeln. Der in Wien Geborene und seit vielen Jahren in Deutschland lebende, mehrfach preisgekrönte Kabarettist Severin Groebner beherrscht sein Metier. Auch die Bedienung seines Samplers namens Roland Mustermann. Roland unterstützt Groebners Ausflüge mit Übersetzungshilfen und Musik.
Ein wichtiges Element in Groebners Leben scheint für den Wahldeutschen seine Krise zu sein, die Tisch und Bett bereits mit ihm in Österreich geteilt hat. Gutes hat eben Bestand, Widrigkeiten, Verschiedenheiten und Unvereinbarkeiten zum Trotz.
Er erkennt sie beispielsweise an Lebensweisen und unterschiedlichen Vorlieben: Österreicher wissen, dass Arbeit nicht schändet, aber eben auch nicht adelt. Er entlarvt die Vorliebe des Deutschen für Baumärkte, da diese gerne permanent etwas tun, und Nichtstun ein Fremdwort für sie ist. Die Deutschen können eben alles, nur nicht nichts tun. Süßer Müßiggang ist für sie wie Essigwasser. Der Werbespruch des Baumarktes "Es gibt immer was zu tun!" klingt wie ein süßes Versprechen im Ohr eines Deutschen, während es sich für den Wiener wie eine gefährliche Drohung anhört. Für den Wiener zählt mehr sein Gefühlsleben, während für den Deutschen Fakten zählen.
Beschwerde-Dauerberieselung
Severin Groebner klärt die Zuschauer mit einem persönlichen Beispiel über nie zufriedene Wiener auf.
Seine Supermarkt erlebnisse, bei denen er mittels aggressiver und emotionsgeladener Beschwerde-Dauerberieselung den bedauernswerten Filialleiter beschallte, teilt er gerne. Er scheint etwas betroffen zu sein vom Ausgang dieser Beschwerdestrategie, die ihm selbst Erleichterung verschaffte. Der Filialleiter wählte mit einem Sprung von der Brücke lieber den Freitod, als länger von ihm gestalkt und Opfer dieser österreichischen Selbsttherapie zu sein. Politisches wird begutachtet, und Groebner bemängelt die Ordnung der Deutschen und den Stau auf Autobahnen.
Groebner entstaubt im Geiste Freuds gebildete und sich von Kaffee und Sachertorte ernährende Wiener, die in Kaf feehäusern vor sich hin vegetie ren und manchmal quasimodo haft diesem Etablissement wieder ins Tageslicht entkommen.
"Schier" (= hässlich) sind sie seines Erachtens, und schier scheint vieles für den Wiener zu sein ... Er stimmt den "Post Proletaris Piefke Punk" an, und das Publikum wiegt sich im Takt. Taktvolle und taktlose Erkenntnisse über die DÖF, die Deutsch-Österreichische Freundschaft, sorgten für einen amüsanten Abend bei der Kulturbunt-Oktoberveranstaltung.