Seit 135 Jahren spielen die Untererthaler Musikanten der Kälte zum Trotz

2 Min
Der letzte Gruß an das ausklingende Jahr hat im Stadtteil Untererthal schon eine 135-jährige Tradition und ist bisher nur einmal - wetterbedingt - ausgefallen. Fotos: Winfried Ehling
Der letzte Gruß an das ausklingende Jahr hat im Stadtteil Untererthal schon eine 135-jährige Tradition und ist bisher nur einmal - wetterbedingt - ausgefallen.  Fotos: Winfried Ehling
Mit einem Glühwein für alle dankt Karl Heilmann (rechts) dem Vorsitzenden der Untererthaler Musikanten, Tobias Popp, für das "Ständele".
Mit einem Glühwein für alle dankt Karl Heilmann (rechts) dem Vorsitzenden der Untererthaler Musikanten, Tobias Popp, für das "Ständele".
 
Der letzte Gruß an das ausklingende Jahr hat in Untererthal eine 135-jährige Tradition und ist bisher nur einmal ausgefallen.
Der letzte Gruß an das ausklingende Jahr hat in Untererthal eine 135-jährige Tradition und ist bisher nur einmal ausgefallen.
 
Ein "Aufwärmerle", das Zenzi Schipper (l.) den Musikern serviert, ist bei den winterlichen Temperaturen immer willkommen.
Ein "Aufwärmerle", das Zenzi Schipper (l.) den Musikern serviert, ist bei den winterlichen Temperaturen immer willkommen.
 
Wie der Vater so der Sohn: Ralf Brehm nahm den kleinen Benedikt als "Little Drummer Boy" zum Silvesterblasen mit.
Wie der Vater so der Sohn: Ralf Brehm nahm den kleinen Benedikt als "Little Drummer Boy" zum Silvesterblasen mit.
 

Am letzten Tag im Jahr trotzen alljährlich Untererthaler Musikanten der Kälte, um einem alten Brauch zu frönen: dem Silvesterblasen.

Für die Zuhörer ist der letzte, musikalische Gruß an das ausklingende Jahr ein willkommenes Ereignis, für die Akteure ist das Silvesterblasen häufig eine "Zitterpartie". Beim klangvollen Rundgang durch den Stadtteil sind nach mehreren Stunden den Untererthaler Musikanten die Finger klamm, die Nasen rot und die Füße kalt. Dennoch lassen sich weder Zuhörer noch Musiker von der Tradition abbringen.

"Der Brauch existiert seit 1880. Damals gründete sich eine Musikkapelle, deren Musiker beim Silvesterblasen neben aufwärmenden Getränken auch etwas Geld in die Tasche gesteckt wurde, quasi als Entschädigung für die Dienste übers Jahr, zum Beispiel in der Kirchenmusik", weiß Karl Heilmann.

Das Duell

Das Salär kann so schmal nicht gewesen sein. Denn in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts konkurrierten gleich zwei Kapellen bei dieser Veranstaltung, die eine im Ober- die andere im Unterdorf. "Auf dem Freien Platz angelangt versuchten sie sich gegenseitig lautstark zu überbieten. Da kam es manchmal zu Rangeleien und Händeln", erzählt der Untererthaler.

Hinzu kam sicherlich noch die Wirkung von Glühwein, Punsch und Selbstgebranntem, die bei ausreichendem Konsum auch bei Minustemperaturen ihre Wirkung zeigen. Zum Aufwärmen ist auch noch ein Klarer oder ein Likör willkommen. Allerdings achtet Vorsitzender Tobias Popp darauf, dass "es des Guten nicht zu viel wird" und die Minderjährigen ihre Finger vom Alkohol lassen.

Den Brauch erhalten

Vor Konkurrenten brauchen die einheimischen Musiker sich nicht mehr zu fürchten. Aber den Brauch, das "alte Jahr hinaus zu spielen" wollen sowohl die Zuhörer wie die Musici beibehalten. "Es ist eine schöne Tradition die wir erhalten sollten", sagt Peter May als ein "Ständchen" vor dem Anwesen von Zenzi und Otto Schipper gespielt wird, für das die Musiker einen hausgemachten Maracuja- oder Pfirsichlikör genießen dürfen.

Die Untererthaler sind stolz, dass sie jedem Wetter trotzen. "Nur einmal in mehr als 40 Jahren mussten wir aufgeben", bestätigen Helmut Schäfer und Paul Desch, die seit Beginn dabei sind. "Damals kam ein Eisregen runter, viele Instrumente funktionierten nicht mehr und wir mussten aufgeben", erinnert sich der Dirigent.
Anerkennung verdient auch, dass die jungen Musiker mitziehen und den strapaziösen Marsch nicht scheuen. Was den musikalischen Nachwuchs angeht, erfreuen sich die heimischen Musiker guten Zuspruchs. Wie in der Jahreshauptversammlung berichtet wurde, sind aktuell 18 Kinder in der Ausbildung. Derzeit werden acht Kinder von Gaby Heilmann durch die "Musikalische Früherziehung" an die Musik herangeführt.

Die zweijährige Phase des Blockflötenunterrichts absolvieren vier Kinder bei Tobias Popp und Ramona Helm, die auch drei Kinder im ersten Ausbildungsjahr unterrichtet. In der Bläserklasse sind derzeit vier Kinder, in der Jugendkapelle elf junge Musiker und sechs "Newcomer" spielen sogar im Hauptorchester. Die Untererthaler wollen sich auch in diesem Jahr darum bemühen, die Kinder (und deren Eltern) für die Musik zu begeistern.
Von dem Geld, das die Musikanten beim Silvesterblasen erhalten, wird ein gemeinsames Essen im Gasthaus "Goldenes Kreuz" finanziert, das sich die Akteure redlich verdient haben. "Manchmal müssen die Spenden allerdings auch für die Reparatur von Instrumenten herhalten, die beim Zug durch das Dorf Schaden erlitten haben", fügt Bernhard Stolz hinzu.