Die Entscheidung von Schaeffler steht. Doch die Belegschaft will ihr Urteil nicht akzeptieren. Bei einer Podiumsdiskussion werden Chancen ausgelotet.
Rudolf Herrmann war 50 Jahre bei Schaeffler beschäftigt, 30 Jahre war er im Betriebsrat, 25 davon als Vorsitzender. Bei der von Ralf Ruppert (Saale-Zeitung) moderierten Podiumsdiskussion zur geplanten Schließung des Standorts
Elfershausen greift er zum Mikrofon. "Über meinen Schreibtisch hing früher ein altes Werbeplakat der IG-Metall", erzählt er. "Darauf stand: Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!" Bei den rund 170 Zuhörern brandet Applaus auf. Nein, mit der Schließung ihres Werks abgefunden haben sie sich noch lange nicht.
Generalabrechnung
Herrmanns Worte klingen wie eine Generalabrechnung. Er ist unzufrieden. Natürlich und vor allem mit Schaeffler-Chef Klaus Rosenfeld, mit der Witwe des Unternehmensgründers Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann und deren Sohn Georg Friedrich Wilhelm Schaeffler. Aber eben nicht nur: Ihm fehlt es an Aktionen, an Kampf. "Nach meinem Kenntnisstand ist das Werk noch nicht geschlossen, sondern soll Ende 2017 geschlossen werden. Macht ihnen endlich Feuer unter dem Arsch!"
Rudolf Herrmann gibt recht gut das Stimmungsbild an diesem Abend im Elfershäuser Sportheim wieder. Eine Wut, die diffus bleibt, weil sie nicht weiß, wie und wo sie sich äußern soll.
"Die Stimmung in Elfershausen ist sehr betrübt", weiß Bürgermeister Karl-Heinz Kickuth. "Man kann es in den Gesichtern der Bürger sehen." Abfinden möchte er sich deshalb nicht mit der Entscheidung Schaefflers. Er versuche Gespräche zu führen, politischen Einfluss zu nehmen. Zeitnah möchte er sich mit Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann treffen. "Ich hatte bisher den Eindruck, dass sie eine soziale Ader hat." Vielleicht bringt es ja etwas. Kein Strohhalm scheint zu dünn zu sein.
Von Seiten der Staatsregierung bleibt die Unterstützung bisher eher vage, berichtet Kathi Petersen (SPD). Die Abgeordnete des Landtags liest einen Ausschnitt aus einer offiziellen Stellungnahme der Regierung vor. Darin heißt es: "Soweit es zur Schließung kommt, wird das Ministerium die Region bei der Stärkung ihrer Kompetenzen unterstützen." Diese Kompetenzen lägen im Bereich der Pflege und Gesundheit. So könnten neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Gemurmel im Publikum
Aus dem Publikum ist Gemurmel zu hören. Wie soll die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Pflege den Arbeitern in Elfershausen nützen? Bürgermeister Kickuth bringt es auf den Punkt: "Es bringt nichts, wenn Bad Kissingen Bäder-Landkreis wird und in Elfershausen sitzt der Metaller auf der Straße."
Die Schaeffler-Mitarbeiter haben für die Entwicklung kein Verständnis. Über zehn Jahre haben sie fünf Stunden in der Woche umsonst gearbeitet. Um ihr Werk zu retten, hatten sie sich Mitte der 2000er zu diesem drastischen Schritt bereit erklärt. Eineinhalb Jahre haben sie somit gearbeitet, ohne Lohn zu bekommen. Das Unternehmen hat dadurch rund 17 Millionen Euro eingespart. Bedingung damals: Die Garantie, dass der Standort bis mindestens 2020 erhalten wird. Und nun also die Ankündigung: 2017 ist Schluss. "Aus theologischen Gründen hat man das Fegefeuer abgeschafft, aus pädagogischen Gründen wäre es manchmal noch ganz hilfreich", äußert Kathi Petersen.
"Viele haben Verständnis dafür, dass ein Unternehmen betriebswirtschaftlich denken muss und seinen Gewinn maximiert", sagt Bettina Heurung. "Ich habe dafür kein Verständnis. Wir sind es, die es sich aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht leisten können, arbeitslos zu werden."
Man sei deshalb bereit, für das Werk zu kämpfen. Laut Gemeinderatsmitglied Volker Partsch gilt diese Einstellung nicht nur für die Mitarbeiter, sondern für die ganze Bevölkerung der Markt. Denn an dem Betrieb würden nicht nur 270 Arbeitsplätze hängen, sondern eben auch die Hälfte der Elfershäuser Gewerbesteuereinnahmen. "Wenn ihr kämpft, stehen wir hinter euch."
Ungeduld wächst
Doch wann und wie die Schaeffler-Arbeiter kämpfen wollen, ist noch unklar. "Im Moment müssen wir abwarten", sagt Thomas Höhn von der IG-Metall. Es sei wichtig, genau zu planen, wann und wie man Druck aufbaue. "Denn leider verbraucht sich so etwas auch. Wir müssen unsere Schüsse richtig setzen." Und auch wenn man einige Köpfe im Publikum nicken sieht, spürt man die Unzufriedenheit der Schaeffler-Arbeiter. Ihre Geduld ist aufgebraucht. Sie wollen sehen, was ihr starker Arm erreichen kann.
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