Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt machten sich rund 180 Pilger in Hammelburg am Donnerstag auf den Weg nach Vierzehnheiligen.
Die Traditions-Wallfahrt, die insgesamt vier Tage dauert, führt über 110 Kilometer und findet weit über das Saaletal hinaus immer noch erstaunliche Resonanz. Seit 1988 findet die Pilgerreise statt, deren Teilnehmer unterschiedliche Ansätze als Antrieb nennen - jedoch immer vor dem Hintergrund des religiös-christlichen Motivs. "Am Anfang war es eine Dank-, heute ist es für mich eine Bittwallfahrt", räumt Konrad Hoffmann ein. "Ich bitte darum, dass mir die Möglichkeit hier teilzunehmen noch lange erhalten bleibt. Das wäre eine große Gnade", versichert der Untereschenbacher.
Bernd Keil kam über seinen Vater zur Wallfahrt. "Ich bin irgendwann einmal mit ihm mitgelaufen und gleich ordentlich eingegangen mit meinen neuen Schuhen", lacht er.
Das "irgendwann" war vor 25 Jahren, die kräfteraubende Pilgerreise ist für ihn heute "ein Test für den Körper, dem die seelische Erhöhung folgt".
Heuer früher dran Frühmorgens wenn die Hähne kräh'n, ziehen sie zum Tor hinaus. Die Liedzeile ist durchaus charakteristisch für die Marschierer und das Motto "Zeig mir den Pfad zum Leben" ist wörtlich zu nehmen. Nicht selten ist dieser Pfad steinig und strapaziös und von Entbehrungen gezeichnet. Doch kann dieser Pfad auch große Freude bereiten und Kräfte wecken - insbesondere wenn das Ziel vor Augen ist. Dann ist jeder Ankommende dankbar und stolz.
Üblicherweise in der ersten Woche des Marienmonats angesiedelt, verlegte Wallfahrtsführer Edgar Denner heuer die Wallfahrt in den April.
"Wären wir Anfang Mai losmarschiert, so wäre der Pilgerzug in das Maifest in Hesselbach und Hohnhausen - zwei tangierte Orte unterwegs - hineingeplatzt. Das wollte ich vermeiden", argumentiert der erfahrene Wallfahrtsführer.
Pfarrer zum ersten Mal dabei Erstmals dabei ist Hammelburgs Stadtpfarrer, Thomas Eschenbacher, der sich vor seinem Amtsantritt in der Saalestadt mehrere Monate mit einem komplizierten Kniebruch herumschlagen musste. "Heuer wage ich es. Mal schau'n wie weit mich die Füße tragen", meint er humorig unter seinem australischen Farmerhut.
Gut, dass Transportfahrzeuge die Schar begleiten, die "Fußkranke" oder anderweitig ausgefallene Marschierer aufnehmen. Otmar Bayer aus Fuchsstadt stellt dafür seit 20 Jahren sein Privatfahrzeug zur Verfügung.
"Ich bin zwei Jahrzehnte mitgelaufen, aber in den letzten fünf Jahren musste ich vom Fußmarsch ab und zu in das Fahrzeug wechseln", räumt er ein. Das ist der Lauf des Lebens.
Der Mittelpunkt des Jahres Rudolf Hannawacker gehört mit 78 Jahren zu den betagtesten Teilnehmern. Für den treuen Vierzehnheiligen-Pilger ist diese Wallfahrt "das wichtigste Ereignis. Wenn ich hier mitlaufen kann, bin ich zufrieden und glücklich, denn das ist für mich der Mittelpunkt des Jahres", sagt der Hammelburger. Hannawacker, Bayer, Hoffmann und Keil werden dieses Jahr für ihre 25. Pilgerfahrt ins oberfränkische Staffelstein ausgezeichnet. Es mag ja sein, dass der eine oder andere Marschierer mit der Wallfahrt insgeheim sich selbst körperliche Fitness beweisen oder sogar für ein größeres Projekt - wie beispielsweise den im Trend liegenden Jakobusweg - "trainieren" will.
Da wird der Himmel sicherlich ein Auge zudrücken.
Wer allerdings auf sein religiöses Motiv pocht, kann es Roland Sell, dem langjährigen Träger des "Gnadenbildes" bei der Pilgerreise gleichtun, der partout widerlegen wollte, dass er die Wallfahrt wegen der sportlichen Leistung mitmacht. Der Hammelburger dürfte der einzige sein, der die Strecke nach Vierzehnheiligen einmal mehr gelaufen ist als alle anderen. Er marschierte - außerhalb der Wallfahrt - alleine los und bewältigte die Pilgerroute in einem Tages- und Nachtmarsch in 22 Stunden.