Eva Albert führt auf eine ganze neue Art durch die Stadt. Sie zeigt Gebäude mit Bezug zu bekannten Persönlichkeiten.
Hammelburg ist die älteste Weinstadt Frankens und besitzt ein attraktives historisches Ambiente. Diese Stadt feiert heuer ihr urkundlich nachgewiesenes 1300-jähriges Bestehen. Sie ist sowohl Garnisonstadt als auch ein kompetenter Ort der Musik. Hammelburg ist aber auch das Werk von klugen Köpfen. Dies jedenfalls war der Stadtführung von Eva Albert, Gäste- und Stadtführerin im Namen der Volkshochschule (VHS), zu entnehmen.
"Auf den Spuren der gescheiten Köpfe Hammelburgs" folgten etwa zwei Dutzend interessierter Zuhörer. Auch VHS-Geschäftsführerin Sieglinde Schönemann-Merz war auf dem Marktplatz anzutreffen, von dem aus die verschiedenen Objekte angesteuert wurden, die mit den klugen Köpfen zu tun haben. "Bei jeder Premiere von solchen Führungen bin ich dabei", bekundet sie ihr Interesse.
Albert kann bestätigen: "Im Vorfeld zu dieser neuen Führung hatte ich eine Menge Arbeit, um die Daten aller erwähnten Personen präsent zu haben und den Rundgang interessant zu gestalten".
Bundesweit bekannt ist das Antlitz von Johann Schoner, der auf dem alten 1000-Mark-Schein abgebildet ist. Schoner, der 1477 in Karlstadt geboren wurde und mit 70 Jahren 1547 in Erfurt verstarb, habe sich als Astronom betätigt und maßgeblich am Bau des Hammelburger Rathauses und des Marktbrunnens als Architekt mitgewirkt. "Leider ist das alte Rathaus dem Stadtbrand zum Opfer gefallen", weist Albert auf den Neuaufbau hin. Der Originalbau habe eine große Freitreppe besessen. "Heute sehen wir nur noch den Balkon", sagt Albert.
Und die drei weißen Lilien im Hammelburger Stadtwappen seien keine weißen Mäuse, wie oftmals von fremden Besuchern angenommen werde.
Frobenius und Dalberg
Eng verbunden mit Hammelburg ist der Name Johann Frobenius. 1460 in dieser Stadt geboren, ging er als Buchdrucker nach Nürnberg zum Erlernen dieses Berufes. Ab 1490 bis zu seinem Tod 1527 sei Frobenius in Basel, dem damaligen Zentrum des Buchdruckes, tätig gewesen. "Er hatte 300 Bücher gedruckt", erzählt Albert. Meist seien die Buchtexte in Latein oder Griechisch verfasst worden. Auch die Werke des Erasmus von Rotterdam seien darunter gewesen. Ein nachgemaltes Bild von Froben, der seinen Namen mit der Endung "ius" latinisierte, hänge im Rathaus. Albert: "Es war kein ausgesprochen schöner Mann."
Seine baulichen Spuren hinterließ Adolph von Dalberg (1658 bis 1737) als Bauherr mit dem Roten Kellereischloss.
"Es diente als Wochenendhäuschen für die Fürstäbte von Fulda", kommentiert Albert. Die Dalbergs seien eine deutschlandweit verzweigte Familie gewesen. Auch in Worms, in Speyer oder in Aschaffenburg. Deutliche Spuren habe dieser Adolph von Dalberg mit Gründung einer Universität in Fulda auf dem Bildungssektor hinterlassen. "Aufrichtigkeit und Liebe" sei sein Wahlspruch gewesen. Die Lagermöglichkeit von rund 700 000 Liter Wein im Roten Schloss kamen Dalbergs Genussfreudigkeit sehr entgegen. Albert: "Drei Liter Wein täglich waren normal". Das Rote Schloss gehört dem Freistaat Bayern seit der Säkularisation (ab 1802) und diente früher als Sitz des ehemaligen Landratsamtes Hammelburg.
Zweistündiger Rundgang
Weiterhin standen Namen wie Johannes Martin, Dr.
Maria Probst, der katholische Pfarrer Oskar Röll, die Gebrüder Heß, der evangelische Pfarrer Georg Horn, Ludwig Kirchner und Johann Jakob Faulstieg auf Alberts Liste. Gut ein Dutzend kluge Köpfe, die in verschiedenen Epochen das Wohl der Stadt Hammelburg voranbrachten. Kirchenbauten, Krankenhäuser oder Denkmale wie der Nepomuk waren die Stationen für den zweistündigen Rundgang.
Ludwig Kirchner war ein fanatischer Nazi. Dieser Mann sollte sofort aus der Stadtführung der "gescheiten Köpfe" herausgenommen werden. Kirchner war in den 1920er Jahren in die USA emigriert und wurde dort zum glühenden Anhänger Hitlers und der NSDAP. 1944 kehrte der gebürtige Hammelburger nach Nazi-Deutschland zurück, um für den "Endsieg" zu kämpfen. Wegen seiner politischen Überzeugung fand Kirchner 1944 eine Stelle bei der NS-Stadtverwaltung. Er gehörte zu jenem Kreis des Hammelburger Volkssturms, der bis zuletzt an den "Endsieg" glaubte. Nicht aus eigener innerer Überzeugung ging Kirchner in der Nacht des 6. auf den 7. April 1945 den Amerkinanern mit der weißen Fahne entgegen, er hat einen Befehl des Nazi-Bürgermeisters erhalten. Kirchner konnte etwas Englisch und wurde deshalb beordert, den Amerikanern mit zwei Kriegsgefangenen entgegenzugehen. Ältere Ortsbürger wissen bis heute, dass Ludwig Kirchner ein überzeugter Nazi war. Diesem "Fanatiker" eine Gedenktafel zu setzen und ihn jetzt auch noch in einer touristischen Stadtführung als "gescheiten Kopf" den ahnungslosen Touristen zu präsentieren, das ist wirklich ein starkes Stück!