Wer schon mal am Viehmarkt in Hammelburg war, ist auch schon am Bullenstall vorbei gelaufen. Doch kaum einer macht sich Gedanken, warum das Gebäude, in dem die Merkur-Privatbank eingemietet ist, eigentlich so genannt wird.
Der Bullenstall am Viehmarkt ist den meisten Hammelburgern ein Begriff. Doch die wenigsten wissen, warum das Gebäude, in dem seit vielen Jahren eine Bank ihre Büros hat, diesen Namen trägt. Auch das Stadtarchiv hat nur wenig Unterlagen über den Bullenstall, den die Stadt im November 1990 an Dr. Theodor Adam Schmitt, Inhaber der Schilling Bank, verkauft hat. Heute hat die Merkur-Privatbank in dem Gebäude Büros angemietet, plant jedoch einen Neubau am Hochstein.
Der Hammelburger Josef Kirchner erinnert sich noch gut an die alte Zeit. Zumal seinem Uronkel das Grundstück nebenan gehörte und sein Vater Kilian Kirchner einst sogar einige Jahre der Stallknecht des Bullenstalls war. Der Bullenstall gehörte zum Bürgerspital und damit der Stadt. Die Stadt kaufte - wie viele Gemeinden zu dieser Zeit - ein oder zwei Bullen und die Bauern aus der Umgebung trieben ihre Kühe dorthin, um sie besamen zu lassen.
Denn die Kuh ist ein Säugetier. Sie gibt also nur dann Milch, wenn sie zuvor ein Kalb zur Welt gebracht hat. In Deutschland bekommen Milchkühe daher in der Regel jedes Jahr ein Kalb. Früher sorgte man mit einem sogenannten Deckbullen dafür, dass die Kuh trächtig wurde. "Natursprung" nennt man dieses Verfahren, bei dem ein Bulle sich auf natürliche Weise mit einer Kuh paart.
"Das war nicht einfach und konnte auch mal einige Zeit dauern, da standen die Kühe schon mal Schlange in der Gasse", erinnert sich Josef Kirchner, der hochrechnet, dass es bis in die 1950er Jahr rund 90 Bauernfamilien und rund 600 Kühe in der Stadt gab. Auch ein Geißbock stand im Bullenstall und so brachten auch die Ziegenbesitzer ihr Vieh zum Decken. Fast jede Arbeiterfamilie habe wie bei ihnen in der Kirchgrundsiedlung eine Ziege gehabt, erzählt der Hammelburger. "Die Geiß war die Kuh des kleinen Bauern", sagt er. Die nahrhafte Ziegenmilch war für die kinderreichen Familien lebensnotwendig.
Auch eine Kuh war im Bullenstall untergebracht, mit deren Milch die Schwestern die Insassen des Bürgerspitals versorgten. Futter in der Scheune nebenan kam von den hauseigenen Wiesen. "Wer nicht genug Bargeld hatte, bezahlte für die Betreuung im Spital mit einem Acker", berichtet Kirchner.
Die Nacht als alles niederbrannte
Unvergessen bleibt in der Stadtgeschichte der 22. August 1932. Um 4 Uhr früh wurden Schwestern und Insassen des Bürgerspitals durch ein Feuer geweckt. Ein Blitzschlag hatte den Bullenstall in Brand gesteckt. Stall, Scheune, Futtervorräte und Maschinen wurden wie das Nachbaranwesen von Andreas Kirchner, in dem der evangelische Betsaal untergebracht war, ein Raub der Flammen. Die drei Zuchtbullen, der Zuchteber und der Ziegenbock wurden befreit, so steht es in einem Bericht des Stadtarchivs.
Der Bullenstall musste möglichst schnell wieder errichtet werden. Kilian Kirchner war von 1934 bis 1942 Stallknecht. Man habe ihn angesprochen, nachdem der eigentliche Knecht mit den Bullen nicht zurecht kam, erzählt Sohn Josef Kirchner. "Wenn so ein Bulle dich an die Wand drückt, bist du tot", weiß er. Als sein Vater zum Militär eingezogen wurde, übernahm Alois Gerlach den Bullenstall, bis die künstliche Besamung eingeführt wurde.