Mit zwölf Strafgefangenen in den USA und Deutschland hat das Ehepaar Toedt regelmäßig Kontakt per Post- für sie ist das ist eine Lebensaufgabe.
Das Ehepaar Toedt aus Hammelburg steht bereits seit knapp zehn Jahren im Briefwechsel mit Strafgefangenen in Deutschland und den USA. Mittlerweile gibt es sogar ein Theaterstück über ihre Brieffreundschaften.
Sich mit einem verurteilten Straftäter im Gefängnis Briefe zu schreiben, ist für viele unvorstellbar. Bei Monika und Henry Toedt aus Hammelburg ist das mittlerweile Alltag. Mehr noch: Die beiden sehen darin ihre Lebensaufgabe. "Meine Frau und ich stehen in Kontakt mit zwölf Strafgefangenen", erzählt der Ehemann, Henry Toedt. Sechs davon sind in amerikanischen Gefängnissen inhaftiert, einige sogar in der Todeszelle, die restlichen sechs befinden sich in Deutschland. Das ungewöhnliche Engagement das Ehepaars blieb nicht unentdeckt. Das Markus & Markus Theaterkollektiv aus Berlin nahm in ihrem Theaterstück "Die Brieffreundschaft" die Geschichte des Ehepaars mit auf - zu sehen im Prolog.
Auf der Suche nach sich selbst
Das Erste, was im Gefängnis wegbreche, seien die Freundschaften. Wenn man Pech hat, auch die Familie, weiß Henry Toedt. Wie es ist, von der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden, weiß das Ehepaar aus eigener Erfahrung. "Wir sind sozial von ganz oben nach ganz unten gefallen", erklärt der Hammelburger den Beginn ihrer Brieffreundschaften. Auf der Suche nach sich selbst lebten sie deshalb im Jahr 2010 einige Zeit in der Nähe von Oberammergau im Kloster Ettal. Über die Caritas kamen die beiden Schleswig-Holsteiner, die früher in der Nähe von Hamburg wohnten, schließlich nach Hammelburg. "Wir haben beschlossen, unserem Leben einen neuen Sinn zu geben, und wollten deshalb einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen", so der Hammelburger. Der mittlerweile verstorbenen Gefängnisseelsorger der Justizvollzugsanstalt Würzburg, Pfarrer Edwin Erhard, gab den beiden schließlich den Rat, per Brief Kontakt zu verurteilten Tätern aufzunehmen.
"Unser erstes schockierendes Erlebnis machten wir im Gefängnis in Bayreuth", erinnert er sich. Dort besuchten er und seine Frau 2012 den ersten Insassen, mit dem die beiden per Brief in Kontakt getreten waren. Der Tatvorwurf an den vierfachen Vater, den sie besuchten: Mord an der eigenen Frau. "Wir haben über Wochen gebraucht, um diesen Besuch zu verarbeiten", erinnert sich Toedt. Nach dem Besuch stand der Beschluss der beiden allerdings schnell fest: "Das wollen wir machen." Die Initiative des Briefwechsels - woraus häufig sogar eine längere Brieffreundschaft wird - gehe aber immer von den Tätern aus. "Das ist ähnlich wie auf Dating-Portalen. Die Täter beschreiben sich selbst, geben ihre Kontaktdaten an und wir können ihnen dann schreiben", erzählt der ehemalige Hamburger. Möglich ist das zum Beispiel über spezielle Internetseiten wie "wirteaprisoner.com".
Tabu: Die Frage nach der Tat
An jeden Gefangenen schreiben die beiden ungefähr acht bis neun Briefe pro Jahr. "Manchmal entwickeln sich sogar richtige Freundschaften, obwohl man sich nicht sieht", freut sich der Rentner. Es gebe immer wiederkehrende Themen wie zum Beispiel Weihnachten, Ostern, Halloween oder die Weinfeste bei uns in der Region. "Wenn sie aufgeschlossen sind, schreiben sie uns sogar, wie es ihnen geht und wie die Situation vor Ort ist", berichtet Toedt. Die Frage nach dem Tatvorwurf ist allerdings ein Tabu-Thema. "Wenn man die Menschen danach fragt, brechen sie den Briefkontakt sofort ab." Dem Ehepaar ist die Tat aber sowieso nicht wichtig. "Wir sehen immer den Menschen, nicht den Täter", betont er. Für die Verurteilung der Gefangenen sei allein die Justiz zuständig.
Die Unterschiede von deutschen und amerikanischen Gefängnissen sind riesig. Während lebenslänglich in den USA bis zum eigenen Ableben bedeutet, spricht man hier von durchschnittlich 22 Jahren. Auch Todeszellen gibt es in Deutschland keine. Und: Selbst die Briefumschläge unterscheiden sich. "In Deutschland erkennt man nicht, dass ein Brief aus dem Gefängnis kommt. In Amerika sind diese extra als Gefängnispost gekennzeichnet."
Theaterstück über Strafgefangene
In ihrem Stück "Die Brieffreundschaft" bringt das Theaterkolletiv Markus & Markus aus Berlin nun ihre Korrespondenz mit inhaftierten Frauen in Amerika auf die Bühne. Die Geschichte der beiden Hammelburger wird dabei im Prolog erzählt. "Der Kontakt kam im Jahr 2020 über eine Gefangene in der Todeszelle, mit der wir seit 2012 Briefe schreiben", erzählt Toedt. Neben ihren eigenen Erfahrungen, welche die beiden zu Beginn des Stückes mitteilen, vermittelten sie den Produzenten auch den Kontakt zu einer verurteilten Mörderin, mit der sie in Kontakt stehen. Der Tatvorwurf an die Frau: Mord an zwei Menschen, welche sie danach zwei Wochen lang in einer Tiefkühltruhe aufbewahrt hatte. Das Stück ist in ganz Westeuropa zu sehen.