Die bevorstehende sechsmonatige Schließung des Altenheims und der Betreiberwechsel bewegen die Gemüter. Bei vielen werden Erinnerungen an 1996 wach - auch wenn die Situation damals viel aufgeladener war.
Die Bewohner des Euerdorfer Altenheims werden die Adventszeit nicht mehr in dem Haus erleben. Bis Ende November sollen die derzeit 34 Pflegebedürftigen verlegt sein. Das erklärt Gertie Martin-Schnapp auf Nachfrage. "Wir wollen den Bewohnern einen Umzug in der Weihnachtszeit ersparen", sagt die Geschäftsführerin der "Altenheim Haus der Familie - Martin-Schnapp GmbH". Damit endet bald ein Kapitel in der Geschichte des Altenheims, das vor knapp 20 Jahren unter turbulenten Umständen begann.
Nun, da der Stiftungsrat der Philippi'schen Stiftung überraschend bekannt gegeben hat, dass das Altenheim zum Ende des Jahres für einen mehrmonatigen Umbau schließt und einen neuen Betreiber bekommt, denken viele an das Jahr 1996 zurück. Doch die heutige Situation lässt sich schwer mit der damaligen vergleichen, wie die Beteiligten von einst anmerken.
Über das Vergangene sprechen sie ungern in der Öffentlichkeit, um die zugeschütteten Gräben nicht wieder aufzureißen.
Denn damals herrschte eine aufgebrachte Stimmung, die auch politisch polarisiert war. Sie gipfelte im Dezember 1996 in einer großen Demonstration in Euerdorf. Die Bürger kämpften für den Erhalt des Altenheims, das die Stiftung als Eigentümerin aufgeben wollte. Damit brachten sie sich gegen die Stiftung in Stellung. Nachdem die Caritas als Betreiberin weggefallen war, suchte eine Gruppe von Bürgern sogar selbst nach einem neuen Pächter für das Haus.
Sie kam auf Gertie Martin-Schnapp zu, die als private Betreiberin bereits in Windheim eine Pflegeeinrichtung führte.
Nachdem die Stiftung eingelenkt hatte, sprang die Martin-Schnapp GmbH in die Bresche, so dass zum Jahreswechsel 1996/ 1997 der Weiterbetrieb gesichert war - fast im letzten Moment.
"Die aufgeladene Stimmung hat das Bewusstsein für das Altenheim und die Identifikation mit der Einrichtung wachsen lassen", sagt Gemeinderat Elmar Hofmann (Bürgerblock Euerdorf). Das erklärt seiner Meinung nach auch, weshalb die jüngste Entscheidung der Stiftung für Diskussionsstoff sorgt.
Die Bürger, die damals die Pächtersuche in die eigenen Hände nahmen, bildeten den Kern, aus dem später der Förderkreis Philippi'sche Altenheim-Stiftung entstand. Der Verein hat sich mittlerweile Ende 2013 aufgelöst. Der Verein habe seine Aufgabe erfüllt, die Einrichtung zu erhalten, erklärt Jürgen Sobtzick.
Der langjährige Förderkreisvorsitzende versichert, dass die Auflösung nicht mit der Kündigung gegenüber der jetzigen Betreiberin zusammenhängt. Der Förderkreis sei nie in die Stiftungspolitik und die Einzelheiten eingebunden gewesen. Er sei davon ausgegangen, dass das Vertragsverhältnis fortgesetzt werde. Als Arzt, der Patienten im Haus hat, bescheinigt Sobtzick der Martin-Schnapp GmbH eine "optimale Versorgung" der Bewohner.
Andere wie Manfred Dotter kritisieren deutlich, dass die Stiftungskonstruktion wenig Transparenz zulässt und wünschten sich mehr Öffentlichkeit. Die Angehörigen können die Entscheidung der Stiftung, das Haus zu schließen, nach wie vor nicht nachvollziehen. Sie müssen zumindest für die Umbauphase einen neuen Pflegeplatz suchen.
Einige haben bereits das Angebot der Martin-Schnapp GmbH angenommen, ihre Verwandten in Windheim betreuen zu lassen.
Das erspart Organisationsaufwand, wie eine Euerdorferin meint, die ihre demente Mutter bald dort pflegen lässt. Die Entscheidung der Stiftung hält sie für zu kurzfristig. Ob sie ihre Mutter nach dem Umbau wieder zurück nach Euerdorf holt, hänge von deren Verfassung ab, da ein Umzug gerade für demente Menschen eine Verunsicherung bedeute. "Ich bin erst einmal erleichtert zu wissen, dass ich einen Platz für meine Mutter habe", meint die Tochter.