"Gen Himmel aufgerichtet steht der Mensch, ein Mann und König der Natur"

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Imposantes Bild: die Tschechische Philharmonie in Haydn-Besetzung und der Philharmonische Chor Prag
Imposantes Bild: die Tschechische Philharmonie in Haydn-Besetzung und der Philharmonische Chor Prag
"Es steht 1:1 - nein, jetzt 1:2 für Ghana!" Intendantin Kari Kahl-Wolfsjäger (links) verriet den Spielstand an Chordirektor Lukás Váasilek, Daniel Kotlinski, Daniel Behle, Ruth Ziesak und Jiri Belohlávek. Fotos: Ahnert
"Es steht 1:1 - nein, jetzt 1:2 für Ghana!" Intendantin Kari Kahl-Wolfsjäger (links) verriet den Spielstand an Chordirektor Lukás Váasilek, Daniel Kotlinski, Daniel Behle, Ruth Ziesak und Jiri Belohlávek. Fotos: Ahnert
 

Die Tschechische Philharmonie und der Philharmonische Chor Prag präsentierten Haydns "Schöpfung".

Bad Kissingen — Die Erschaffung der Welt muss eine behagliche Angelegenheit gewesen sein. Den zwingenden und bezwingenden Eindruck musste man gewinnen, wenn man am Samstag Abend bequem im Großen Saal saß, Joseph Haydns "Schöpfung" lauschend, und auf der anderen Seite der neu geschaffenen Welt wurden die "Jogi-Buben" von den von Luzifer gerittenen Ghanaern aus dem Fußballparadies vertrieben - vorerst.
Das Wissen, auf der sicheren Seite zu sitzen, war der eine Behaglichkeitsgrund. Der andere war die Aufführung der Tschechischen Philharmonie unter der Leitung ihres Chefdirigenten Jiri Belohlávek, die die Harmonie der ersten Tage spiegelte. Die Prager musizierten nicht in der historisch informierten Spielweise, sondern in riomantischer Tradition, was dem Oratorioum keineswegs schadet. Sie spielten nicht in der historischen 415-Stimmung, sondern blieben bei den üblichen 440 Hertz, was den Streichern eine größere Leuchtkraft gab und auch manchen Sängern besser liegt. Und der Zuhörer musste sich nicht mit schabenden Geigen und näselnden Trompeten beschäftigen, sondern konnte sich in der gewohnten Klangkulisse bewegen. Und das ist ja auch mal schön.

Vierte Aufführung

Man merkte, dass Jiri Belohlávek und seine Truppe das Werk kurz zuvor in Prag schon drei Mal aufgeführt hatten - zu wenig, um in abliefernde Routine zu verfallen, aber oft genug, um das Zusammenwirken zu perfektionieren. Das Orchester war ein weitestgehend souverän und locker musizierender Stichwortgeber für die Solisten, grundiert von einer sehr gut präsenten Bassgruppe - und mit einer sehr aufmerksamen Continuo-Besetzung. Die Musiker erspürten Haydns starke klangmalerische Kraft nicht nur in der Schilderung des anfänglichen Chaos, sondern auch bei der Erschaffung der Tiere in der Luft, auf der Erde und im Wasser - tirilierende Lerchen, brüllende Löwen, wollereiche Schafe, schlängelndes Gewürm und das edle Ross lassen sich halt wunderbar und lustvoll in Klängen darstellen.
Das Solistentrio war bestens aufeinander eingestellt: Ruth Ziesak als Erzengel Gabriel und später als Eva, Daniel Behle als Uriel und Daniel Kotlinski als Raphael und später Adam waren souveräne Berichterstatter der Schöpfung, deren unterschiedlich timbrierte Stimmen sehr gut zusammenpassten. Und während Daniel Behle der nüchterne Uriel blieb, der den am sechsten Tag - endlich - auf der Bildfläche erscheinenden Menschen kommentierte, entledigten sich Ruth Ziesak und Daniel Kotlinski zunächst der Pflicht, Gott zu laben, um sich dann in ihre neue Zweisamkeit zu versenken, sich zu genießen. Wobei sie zum Glück nicht in lautes Lachen ausbrachen, als sie die von der Aufklärung so wunderbar festgelegte, heute nur noch zu ironisierende Rolle von Mann und Frau besangen.

Leistungsfähiger Chor

Einen starken Eindruck hinterließ der Philharmonische Chor Prag in der Einstudierung seines Künstlerischen Leiters Lukás Vasilek. Mit seiner großen Besetzung war er nicht nur ein höchst stimmmächtiger Repräsentant der gläubigen Christenheit, sondern auch ein absolut präsenter, höchst engagierter Klangkörper, der mit einer erstaunlich genauen und verständlichen Artikulation sang.
Das Glück von Adam und Eva war am Ende perfekt, die perfekte Zweisamkeit hätte ewig sein können. Aber es hielt nur 55 Jahre an. 1855 wurde in Weimar eine Vertonung des Milton-Texters von Anton Rubinstein uraufgeführt. Und der hat die Vertreibung aus dem Paradies nicht verschwiegen