Gelungenes Debüt zum Abschluss

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Gerd Schaller leitete das Abschlusskonzert mit dem Radiosinfonieorchester Prag und Solist Petr Nouzovský. Foto: Thomas Ahnert
Gerd Schaller leitete das Abschlusskonzert mit dem Radiosinfonieorchester Prag und Solist Petr Nouzovský. Foto: Thomas Ahnert
Gerd Schaller leitete das Abschlusskonzert mit dem Radiosinfonieorchester Prag und Solist Petr Nouzovský. Foto: Thomas Ahnert
Gerd Schaller leitete das Abschlusskonzert mit dem Radiosinfonieorchester Prag und Solist Petr Nouzovský. Foto: Thomas Ahnert
 
Gerd Schaller leitete das Abschlusskonzert mit dem Radiosinfonieorchester Prag und Solist Petr Nouzovský. Foto: Thomas Ahnert
Gerd Schaller leitete das Abschlusskonzert mit dem Radiosinfonieorchester Prag und Solist Petr Nouzovský. Foto: Thomas Ahnert
 

Das Radiosinfonieorchester Prag spielte zum ersten Mal im Regentenbau. Gerd Schaller setzte am Dirigentenpult Akzente, dagegen blieb Solist Petr Nouzovský eher blass.

Zum Schluss gab's ein Debüt: Beim Finale des Kissinger Winterzaubers 2015/16 kam ein Orchester in den Regentenbau, das noch nie im Großen Saal zu hören war: das Radiosinfonieorchester Prag. Man durfte gespannt sein, denn das ist ein Orchester, das nicht unbedingt internationale Schlagzeilen macht, das seinen Wirkungskreis vor allem in der Heimat hat.
Aber allein schon die Tatsache, dass Gerd Schaller am Pult stand, ließ Zuversicht aufkommen.


Auftakt mit Antonin Dvorák

Sie war voll und ganz berechtigt, auch wenn der erste Blick etwas Befremden auslöste: Bei einer Frauenquote von zehn Prozent schien das Orchester noch nicht so ganz in der gesellschaftlichen Gegenwart angekommen zu sein, da hat eine Frauenbeauftragte noch viel zu tun. Da hat die Tschechische Philharmonie die Nase deutlich vorne. Was allerdings auch sofort auffiel, und das war in dem Moment natürlich wichtiger: Die Qualität des Orchesters war eine absolut positive Überraschung. Vladimir Valek, seit 30 (!) Jahren Chefdirigent, hat seine Truppe ausgezeichnet in Schuss. Das galt für alle Instrumentengruppen gleichermaßen. Gut, die ganz hervorragenden Bläser hätten manchmal ein bisschen geheimnisvoller sein können. Aber andererseits können sie beim ersten Mal auch nicht wissen, wie gut die Akustik des Saales trägt, wie leise sie tatsächlich spielen können, ohne nicht mehr gehört zu werden.
Es erstaunte nicht wirklich, dass ein Monument der tschechischen Nationalliteratur das Konzert eröffnete: das Cellokonzert h-moll von Antonin Dvorák. Das ist eines der meistgespielten Solokonzerte, nicht nur im Regentenbau, aber man kann es auch immer wieder hören, vor allem, wenn es so melodiebetont gespielt wird, wie Gerd Schaller das mit seinen Leuten machte. Da wurde kraftvoll, aber auch transparent musiziert, da wurden die dramatischen Aspekte genauso ausgekostet wie die lyrischen, mitunter auch melancholischen, da lebte die Musik in einer wunderbaren muskantischen Weise. Da wurde schön deutlich, wie viel das Orchester in diesem Werk tatsächlich zu sagen hat, wie initiativ es werden kann.
Ach so, ja, der Solist! Wenn man boshaft wäre, würde man sagen: Er hat nicht weiter gestört. Ganz so schlimm war's nicht, aber Petr Nouzovský schaffte es nicht, sich als Führender zu positionieren, als Partner des Orchesters. Er blieb hermetisch auf sich bezogen, spielte ein bisschen etüdenhaft und nicht immer ganz glücklich in der Artikulation, als würde das Orchester hinter ihm gar nicht sitzen. Was ihm fehlte, war der Wille zum großen Ton und zur großen Emotion, die gerade dieses Werk reichlich bietet. Und er reagierte überhaupt nicht auf die Interaktionsangebote des Orchesters, insbesondere der Holzbläser im zweiten Satz. Wahrscheinlich konnte die Soloflötistin (Extrakompliment) Nouzovský gar nicht hören, weil er so leise war, und musste auf Schlag spielen.
Gerd Schaller ließ sich glücklicherweise nicht dazu verleiten, das Orchester so weit zurückzunehmen, dass der Solist hundertprozentig hörbar wurde - mitunter liefert er ja tatsächlich auch nur eine Klangfarbe. Da wäre zu wenig gewonnen und zu viel verloren gewesen. Nouzovský hätte einfach mehr Druck machen müssen. So hörte man wenigstens einmal unverstellt das Orchester, den Solopart kann man eh schon mitpfeifen.


Überraschende Konzeption

Gerd Schallers Konzeption erwies sich auch im zweiten Teil als außerordentlich tragfähig - und überraschend. Denn er zeigte in der 1. Sinfonie von Johannes Brahms den Komponisten gegen das in Deutschland herrschende Vorurteil ganz einfach als einen tollen Melodiker. Schaller hat noch nie zum Pathos geneigt, und so thematisierte er nicht die schwere Geburt, die Brahms im Schatten des übermächtigen Beethovens geplant hat, sondern die Nähe zum jüngeren Dvorák. Plötzlich entpuppte sich diese Sinfonie als Gute-Laune-Musik mit viel Schwung und kräftigen Farben. Die Spannung wurde nicht über die Tempi erzeugt, sondern über eine plastische Dynamik, einen intensiven Vortrieb auch im Langsamen und über die Herausarbeitung gegenläufiger Linien und Reibungen. Plötzlich war sogar das hymnische Thema aus Beethovens Dunstkreis, wunderbar geschmettert von Posaunen und Trompeten überhaupt nicht weihevoll, ganz Melodie. Auch den Musikern schien es großen Spaß zu machen, die Freiräume der Eigenverantwortlichkeit zu nutzen und höchst aufmerksam miteinander zu spielen.
Die Zugabe passte ebenfalls zur gelockerten Stimmung: Antonin Dvoráks Slawischer Tanz Nr. 10.