Die Bremer brillierten unter ihrer Dirigentin Ruth Reinhard und auch Pianist Daniil Trifonov sorgte für eine Überraschung.
Man hatte sich schon im Vorfeld darüber gefreut, dass die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen wieder zum Kissinger Sommer kommen würde, die ja von 2017 bis 2021 die Funktion des Festivalorchesters übernommen hatte. Aber ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass Corona da ungut dazwischengefunkt hat. Und so konnte man das Gastspiel jetzt als ein nachgeholtes Konzert sehen. Optimisten sahen darin allerdings ein Signal, auch nach der Festivalvertragsspielzeit auch künftig immer mal im Regentenbau vorbeischauen zu wollen.
Am Pult stand dieses Mal nicht Paavo Järvi, der Chef, sondern eine Chefin: Ruth Reinhard, vor 34 Jahren im Saarland geboren, hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Karriere hingelegt. Und jetzt war sie mit den Bremern auf einer Tournee mit Daniil Trifonov, die im Max-Littmann-Saal ihre letzte Station hatte. Man kannte sich also bereits.
Ruth Reinhardt, in diesem Jahr nach Joana Mallwitz bereits die zweite Frau am Pult, ist in gewisser Weise eine typische Vertreterin ihrer Generation. Sie weiß, dass sie - immer noch - besser sein muss als ihre männlichen Kollegen, um mindestens die gleiche Wertschätzung zu erfahren. Aber sie würde vermutlich auch ohne diesen Hintergrund genauso engagiert und präzise dirigieren, sich nicht nur um den Rhythmus, sondern auch um Verläufe oder die Dynamik kümmern, genau so auch körpersprachlich dirigieren.
Und dabei macht sie eigentlich keine Bewegung zu viel oder zu lang. Wo sie hin will, wissen ihre Musiker aus den Proben, und für die Galerie sind die großen Gesten zwar auffällig, aber überflüssig - und dank ihrer nüchternen Fokussierung auch nicht zu erwarten. Woran sie einen auffallenden Gefallen zu finden scheint, sind die schnellen Crescendi. Da könnte sie dem energetischen Aufbau mitunter etwas mehr Zeit lassen. Was nicht heißt, dass ihre Musik zu Überlautstärken neigt.
Mit Brahms und Schumann auf du und du
Mit Brahms und Schumann standen zwei Komponisten auf dem Programm, mit denen die Bremer durch ihre Arbeit und ihre Aufnahmen mit Paavo Järvi - übrigens zum Teil auch im Max-Littmann-Saal - auf du und du sind. Aber eingeleitet wurde das Konzert mit einem Werk, das erstaunlich selten zu hören ist: mit dem Konzert in D für Streichorchester von Igor Strawinsky, ein mit zwölf Minuten relativ kurzes Werk, das es aber in sich hat. Denn da Bläser und Schlagwerk fehlen und die eher weichen Streicher die gesamte Palette der klanglichen Brutalität abdecken müssen, müssen sie entsprechend hinlangen. Und die damit verbundenen Risiken gehen manche Musiker oder ganze Orchester nicht gerne ein.
Die Bremer können das. Und so wurde der erste Satz zu einem Zeugnis eines Spannungsfeldes zwischen scharfem, schneidend klarem Brutalismus in rauestem Ton und kleinen, weichen Klangwolken, die die Stimmung kurz aufhellen, sich aber auch jeglicher Melodie verweigern. Da entstand eine Gemengelage aus absolut konträren Teilen, die so viel Luft hatten, dass sich der Zuhörer die Lücken mit der eigenen Fantasie füllen konnte.
Größer hätte der Gegensatz nicht sein können: Auch das Arioso lieferte einzelne Puzzleteile, aber sie klangen wie ein Einstieg in ein lyrisches Ballett - was sie in der späteren, unbeabsichtigten Praxis ja auch wurden. Und die Andeutung der Tanzbarkeit hielt, in den Streichern pulsierend, an, grundiert vom prägnanten Pizzicato der Kontrabässe. Erst im letzten Satz hob eine Melodie vorsichtig den Kopf, zog ihn aber gleich wieder ein angesichts der massiven Konflikte an der Oberfläche. Die hätte man unter Umständen vielleicht dynamisch noch ein bisschen konfrontativer - wie im ersten Satz - gestalten können. Aber auch so atmete man entspannend auf, als der Satz abrupt abbrach.