Es geht auch anders

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Überraschung gelungen: Hélène Grimaud und Yannick Nézet-Séguin nach dem Ravel-Konzert. Foto: Ahnert
Überraschung gelungen: Hélène Grimaud und Yannick Nézet-Séguin nach dem Ravel-Konzert.  Foto: Ahnert

Yannick Nézèt-Séguin machte bei der "Münchner Gala" Hélène Grimaud mit Ravel zu einer Jazzpianistin und erklärte den Tschechen die Moldau.

Bad Kissingen — Musste wirklich erst ein Kanadier kommen, um den Tschechen - und nicht nur ihnen - die Moldau zu erklären? Sicher, die Tschechische Philharmonie spielt Smetanas Ohrwurm in einer weltweit gültigen Interpretation. Aber was Yannick Nézet-Séguin und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks daraus machten, war eine Art Renaturierung des ins ästhetische Korsett gezwungenen Flusses und gleichzeitig eine Hörbarmachung des Wortes "Wasserkraft". Da waren die Quellbäche des Flusses endlich einmal gleichberechtigt gegeneinander herausgehoben, da hatte endlich einmal ein Dirigent gemerkt, dass der Nymphenreigen eine Unterwasserveranstaltung ist, und den Gesang der Märchenwesen so abgedämpft, dass er nur leise durch das im Übrigen permanent präsente Rauschen und Gurgeln des Flusses an das Ohr des Zuhörers im Boot drang. Und er konnte hören, wie gefährlich die Passage durch die Sankt-Johann-Stromschnellen sein kann. Plastischer, konsequenter kann man einen Fluss in Tönen nicht darstellen.

Verjazzter Impressionismus

Die eigentliche Überraschung des Abends war allerdings das Klavierkonzert G-dur von Maurice Ravel. Hélène Grimaud zeigte sich in einer Spiellaune wie schon lange nicht mehr im Großen Saal. Und man rieb sich verwundert die Ohren, ob da nicht gerade Gershwin gespielt wurde. Hélène Grimaud eilte mt lockeren Fingern und großer Darstellungskraft durch ihre gar nicht so einfache Partie und schaffte mit einer phantastischen agogischen Gestaltung und starker Motorik, den Impressionismus mit dem Jazz zu verbinden, ihn zu amerikanisieren. Für New York war das Konzert ja schließlich auch gedacht. Und Yannick Nézet-Séguin befeuerte das Orchester zu einer ansteckend mitreißenden Darstellung der Geräusche einer Großstadt der 1930er Jahre, ein bisschen grell, ein bisschen lärmig, ein bisschen vermeintlich chaotisch mit gegeneinander laufenden Rhythmen, mit phantasievollen Klangfarben und einem starken Drive. Mit den Münchnern kann er das machen. Sie haben unter den wenigen echten europäischen Spitzenorchestern den modernsten Klang.

Dirigent am Flügel

Als Zugabe leisteten sich Hélène Grimaud und Yannick Nézet-Séguin einen kleinen Spaß ohne größeres künstlerisches Gewicht: Sie setzten sich gemensam an den Flügel und spielten zu vier Händen "Le jardin féerique" aus Ravels Zyklus "Ma mère l'oye".

Ungeschminkter Schumann

Bei Robert Schumanns "Rheinischer Sinfonie" nutzte der Kanadier die klare Präzision des Orchesters und zielte ganz auf klare Strukturen. Dadurch wurde deutlich, welch gewagte harmonische Verläufe Schumann mitunter gewählt hat, wie viele Reibungspunkte dieses Werk enthält, wenn man gerade nicht versucht, Ecken und Kanten zu glätten. Sicher war das für manchen Zuhörer gewöhnungsbedürftig. Aber die Musik bekam dadurch eine Transparenz, wie man sie nur selten zu hören bekommt.Wenn man beckmessern wollte, könnte man einen kleinen gestalterischen Durchhänger im dritten Satz bemerken. Nach dem langen Applaus und den vielen Bravos war die Zugabe der "Slawische Tanz" op. 72/2 von Antonin Dvorák.