Annette und Elmar Wehner haben genaugenommen nichts mehr. Ihre Möbel sind verstockt, ihr Haus ist nach dem Brand eine Baustelle.
Wenn die Waschmaschine läuft, bleibt Annette Wehner daneben sitzen. Ganz bewusst. Dann wartet sie bis zum Ende des Programms. Jedes Mal. Denn sie hat Angst. Angst davor, dass ein Brand ausbricht. Verursacht durch einen Kurzschluss oder irgendetwas anderes. So wie am 28. November 2016. "Das war der schlimmste Tag in unserem Leben", sagt sie heute. Und trotzdem ist sie irgendwie froh. "Weil niemand verletzt wurde." Es ist ein Montag, der Geburtstag ihres Mannes Elmar, der 59. Mit der Familie und Freunden sitzen die beiden am Abend in ihrer Gastwirtschaft "Zum Goldenen Löwen" in Frauenroth und feiern. Es wird gegessen und getrunken. Die Stimmung ist fröhlich. Doch das ändert sich, als Michaela, die Freundin von Sohn Sebastian, ruft: Es brennt. "Das war so gegen 21.15 Uhr", erinnert sich Elmar Wehner.
Dichter Qualm, lautes Knacken
Zunächst habe das niemand so richtig ernst genommen. "Wir dachten, sie macht einen Spaß." Da seine Schwiegertochter in spe nicht lockerließ, sei er schließlich mit ihr zur Wohnung der beiden unterm Dachgeschoss hinaufgegangen. "Der Treppenaufgang war total verräuchert. Ich konnte die Wohnungstür gar nicht mehr öffnen", erzählt der Automechaniker. Um mehr zu sehen, sei er hinaus auf den Balkon im ersten Obergeschoss getreten.
"Im Dach hat es fürchterlich geknackt. Dichter Qualm quoll unter der Regenrinne hervor", schildert er. Dann sei alles ganz schnell gegangen: Die Feuerwehr wurde alarmiert, die Geburtstagsgesellschaft aufgelöst. "Wir standen draußen und konnten nur noch zusehen. In so einem Moment stehst du neben dir. Da warst du 40 Jahre bei der Feuerwehr und kannst nichts machen", schildert er seine Eindrücke. Ein Großaufgebot der örtlichen und überörtlichen Wehren mit mehr als 250 Feuerwehrleuten kümmert sich um den Brand. "Oben haben sie mit dem Wasser gelöscht, unten im Keller haben sie es wieder herausgepumpt."
Unterschlupf bei Freunden
Über diese Erinnerungen zu sprechen, fällt dem Paar nicht schwer. Nicht mehr. "Wir haben uns daran gewöhnt", sagt Annette Wehner. Anfangs haben sie bei Freunden in Frauenroth gewohnt, bei Inge und Klaus Kleinhenz. "Die haben uns bekocht und so richtig verwöhnt. ich glaube, das haben wir auch gebraucht", erzählt sie. In den ersten Wochen nach dem Brand hätten sie alles wie in einem Film erlebt. "Ich habe beispielsweise gesagt: Kommt lasst uns Fenster putzen. So als ob sich das Ganze damit wegwischen ließe, die Welt danach wieder in Ordnung wäre." Später ist das Paar in eine möblierte Wohnung nach Burkardroth gezogen, ebenfalls zu Freunden. Mehr als sechs Monate sind seither vergangen. Monate, in denen die Wehners das Erlebte verarbeiten konnten. Doch weiterer Ärger kam hinzu.
Zwar stand die Brandursache - ein defektes Lampenkabel im Abstellraum unterm Dach - schnell fest, setzte jedoch eine bürokratische Maschinerie in Gang. "Glücklicherweise habe ich alle Rechnungen ab 1982 aufgehoben", sagt Annette Wehner. So konnte sie genau belegen, was die Familie wann angeschafft hatte. "Wir hatten zwar zwei Brandversicherungen, aber das Geld bekommst du nur einmal", fügt ihr Mann hinzu.
Alte Bibel blieb unversehrt
Sohn Sebastian und seine Freundin hat der Brand besonders getroffen. "Sie haben alles verloren, alles ist verbrannt", sagt Annette Wehner. Für die Versicherung mussten die beiden sogar jedes Teil in der Brand-Wohnung fotografieren. "Sie saßen mit Schutzmasken oben. Da kamen die Emotionen hoch, viele Tränen flossen", erzählt die 55-Jährige. Doch auch Überraschungen gab es. "Ich habe in einem total verbrannten Schrank ein Buch gefunden. Es war eine Bibel, kaum beschädigt", erzählt Elmar Wehner. "Es ist schon seltsam, was da für Kräfte walten."
Mittlerweile haben er und seine Frau jedoch den gesamten Hausrat verloren. Sämtliche Möbel waren nach dem Brand bei einer Fachfirma eingelagert worden. Offenbar ist das nicht ganz so fachgerecht geschehen, wie vereinbart. Denn die Möbel sind über den Winter allesamt verstockt. Nun müssen sich die beiden Frauenrother komplett neu einrichten. Zudem sind im Haus weitere Schäden aufgetreten. Decken, Fußböden und Wände wurden durch das Löschwasser feucht. Über den Winter ist Schimmel entstanden, da das Haus nicht beheizt war.
"Die Versicherung schätzt den Schaden am Gebäude auf rund 350 000 Euro", sagt Elmar Wehner. Hinzu kommen einige versteckte Kosten, für die aber die Familie aufkommen muss. "So haben wir einige Deckenbalken im Haus erneuert, da sie im Lauf der Jahre morsch geworden waren", erklärt er.
Inzwischen erinnert in dem Haus nur noch wenig an den verheerenden Dachstuhlbrand. Lediglich ein paar schwarze Stellen am Mauerwerk zeugen davon. Darüber gibt es ein neues Dach, der Innenausbau hat begonnen. "Wenn ich meinen Weihnachtsbaum heuer hier drin anzünden kann, bin ich schon zufrieden", sagt Elmar Wehner. Seine Frau nickt. Sie hingegen wird noch lange neben der Waschmaschine sitzen bleiben, bis das Programm zu Ende ist. Schließlich könnte ja etwas passieren, vielleicht wieder ein Brand ausbrechen. "Deshalb werden wir Rauchmelder anbringen, im ganzen Haus", fügt ihr Mann hinzu. Denn die seien wirklich ganz arg wichtig.