Am 22. März, ist der "Tag des Faulenzens". Doch kaum einer tut das. Action und ständige Erreichbarkeit bestimmen den Alltag. Die Folgen können fatal sein.
Einfach nur auf einer Bank im Grünen sitzen. Leute beobachten. Die Sonne genießen. Nichts tun und nichts denken. Einfach nur da sein. Die Augen schließen. Die Welt außen vor lassen. Klingt gut. Doch wer macht das schon? Wie das Foto zeigt: lediglich ein paar Rentner im Bad Kissinger Kurgarten. Dabei bräuchte eigentlich jeder, egal ob Hausfrau oder Manager, eine solche Auszeit. Täglich, mehrmals. Denn faul sein, ist gesund.
Das bestätigt auch der Psychologe René Greiner, der seit 2011 in den Heiligenfeld Kliniken
Bad Kissingen tätig ist. Das Gehirn sei heutzutage ständigen Reizen ausgesetzt. "Die Menschen sind permanent erreichbar, haben eine hohe Leistungsauffassung, optimieren sich immer wieder selbst, nur um Dinge nicht zu verpassen", schildert er die Erfahrungen aus seinem Arbeitsalltag. Viele Jahre hat Greiner Menschen mit Burnout und Depressionen behandelt. Ihre Zahl ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Auch, weil sie verlernt hätten, sich zu erden, sich selbst wahrzunehmen. Denn genau das bewirke Nichtstun. Das Gehirn verarbeite dabei Reize und Informationen, die es bewusst und unbewusst aufnimmt. Jedoch falle das Faulenzen vielen schwer, weil es viele Möglichkeiten gibt, sich zu beschäftigen. "Streng genommen heißt faul sein einfach nur dasitzen und atmen", sagt er. Nicht Lesen, nicht Fernsehen, kein Radio hören, nicht das Handy nutzen, nicht mal aus dem Fenster schauen.
Pausen für das Gehirn brauchen aber nicht nur Erwachsene oder Berufstätige, sondern auch Kinder. "Nur so kommen sie auf eigene Ideen, können sie kreativ sein", ist Kerstin Hofmann überzeugt. Die 30-Jährige arbeitet schon seit zehn Jahren als Erzieherin, ist momentan als stellvertretende Leiterin des Maria-Stern-Kindergarten in Hausen in der Krippe tätig.
Halbe Stunde zum Ausruhen
Bei den ganz Kleinen merke sie die Überforderung, den Bedarf nach einer Pause sehr schnell. "Sie beginnen zu weinen oder sind total aufgedreht", schildert die Erzieherin ihre Erfahrung. Häufig kommen dann die Jungen und Mädchen zu ihr, krabbeln auf ihren Schoß und suchen den Körperkontakt zur Entspannung. Dabei verarbeiten sie Erlebtes, lernen durchs Beobachten aber auch dazu. Größeren Kindern fällt dieses Runterkommen und Pause machen zusehends schwerer. Deshalb wird mit ihnen in der Häusler Einrichtung täglich eine halbe Stunde ausgeruht. Von einem voll gepackten Terminkalender mit Mal-, Englisch- oder Turnstunden, den viele Jungen und Mädchen nach der Kita abarbeiten, hält die Pädagogin nichts. Stattdessen sei Freiraum mit Langeweile oder Nichtstun erheblich sinnvoller. "Genauso sind Körperzuwendung und Kuscheln wichtig", fügt sie hinzu, nicht nur für die Kleinen. "Körperkontakt hat etwas Heilsames. Es ist etwas Ursprüngliches", erklärt der Psychologe René Greiner. Die Menschen seien schließlich keine Einzelgänger.
Die Möbelindustrie hat sich schon lange auf das miteinander Kuscheln und Faulenzen eingestellt. Die Kataloge und Prospekte, die täglich ins Haus flattern, sind voll von Wellness-Möbeln für drinnen und draußen. Sie nennen sich Relax-Liege, Garten-Lounge, Wohnlandschaft oder Big-Sofa. Auch das Angebot an Hängematten ist riesig. Doch offenbar nützt das nur wenig. Erholung und Entspannung suchen inzwischen viele weniger zu Hause, sondern in speziellen Kursen.
Yoga schon seit den 80er-Jahren
Egal ob Yoga, Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training oder Tai Chi, die Auswahl ist vielfältig, ebenso sind es die Anbieter. In der Volkshochschule Bad Kissingen beispielsweise werden schon seit den 1980er-Jahren Yoga-Kurse angeboten. "Die Teilnehmerinnen waren mehrheitlich ältere Damen, für die eher der turnerische und soziale als der mentale Aspekt im Vordegrund standen", erinnert sich die Leiterin Gisela Schriek. Im Vergleich zu größeren Volkshochschulen habe sie jedoch festgestellt, dass Anti-Stress-Programme und Meditation in Bad Kissingen weniger gefragt sind. "Vielleicht ist das Leben in unserer Region doch entspannter als anderswo", schreibt sie.
Und tatsächlich. Beim Spaziergang durch den Kurgarten fällt beim genauen Hinschauen auf: Nicht nur Rentner sitzen hier, sondern auch junge Leute. So etwa ein Geschäftsmann aus Bad Kissingen, der die Frühlingssonne in einer Nische an der Wandelhalle genießt oder eine Jugendliche, die fast schon gelangweilt in einem Buch blättert.