Eine Harmonie der Sinne

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Ein Konzert der Extraklasse gab das Kurorchester im Max-Littmann-Saal. Foto: Werner Vogel
Ein Konzert der Extraklasse gab das Kurorchester im Max-Littmann-Saal.  Foto: Werner Vogel
 
 
 

Das Kurorchester geht neue Wege. Das Konzert mit Juwelen klassischer Musik im Max Littmann Saal wurde zu einem musikalischen Erlebnis.

Elena Iossifova, die Chefin des Kurorchesters, wusste gar nicht wohin mit ihrer Freude, umarmte Musiker, den Solisten des Abends, Bekannte und überhaupt jeden, der ihr zum großen Erfolg des Herbstkonzerts gratulierte.
Nein, es war nicht zu erwarten, dass der kühne Plan so eindrucksvoll aufging, ein Konzert mit ausschließlich klassischer Musik zu veranstalten. Mit einem Ensemble, das gerade mal 13 Musiker zählt, dazu statt in der Konzertmuschel der Wandelhalle auch noch im Regentenbau, wo sonst Orchester mit fünfzig und mehr Könnern brillieren und einem anspruchsvollen Publikum, das bei Kissinger Sommer und Winterzauber Spitzenorchester in Serie erleben kann.

Es war auch nicht zu erwarten, dass die Fans des Kurorchesters dieses Wagnis so mittragen würden, wenn statt des Wiener Walzerkönigs Johann Strauss der Münchner Klangprovokateur Richard Strauss auf dem Programm steht. Man konnte den Stein förmlich fallen hören, der ihr, dem mit veranstaltenden Förderverein Bad Kissinger Kurorchester und, angesichts des großen Publikumszuspruchs, auch der veranstaltenden Staatsbad GmbH vom Herzen fiel.

Aber die Orchesterleiterin hat Ideen, weiß, dass sie sich auf ihre Musiker verlassen kann. Und sie hat mit dem Förderverein kreative Musikfreunde an ihrer Seite, die ihren Teil dazu beitragen, dass das Kurorchester ein frischeres Image bekommen hat. Wenn dann auch die Staatsbad GmbH mitspielt, eine anspruchsvolle Fotoshow ermöglicht und die Bühne in wechselndes stimmungsvolles Licht taucht, dann sind gute Voraussetzungen für ein besonderes Konzerterlebnis geschaffen.


Richtig gut

Bleibt noch die Frage, können die das? Klassik-Hits, die jeder kennt, mit schmaler Besetzung so zu interpretieren, dass Zuhören wirklich Freude macht? Um es vorweg zu nehmen. Sie können das. Sogar richtig gut. Hatte man bei Rossinis "Wilhelm Tell" Ouvertüre, einem Aufgalopp, der auch Freunden von Strauss und Co. das Herz aufschließt, vielleicht noch ein zweites oder drittes Cello vermisst, bei Vivaldis "Vier Jahreszeiten" vielleicht noch den Klang von gefühlten 50 Geigen im Ohr, wo das Kurorchester mit nur fünf auskommen muss, so war das spätestens bei der Haydns Symphonie Nr. 26 völlig vergessen.

Ganz bewusst hatte Elena Iossifova die "Lamentation", wie sie wegen des Anklangs an gregorianischer Passionsmusik genannt wird, passgenau ausgesucht, weist doch auch Haydns Originalpartitur nur eine ähnlich kleine Besetzung auf. Da konnte das mit fünf befreundeten Musikern verstärkte Kurorchester den emotionalen ersten Satz, das romantische Adagio und das ungewöhnlich kontrastierte, fast tragische Menuett mit einem großem Spannungsbogen überzeugend gestalten. Die Bilder dazu verstärkten den kirchlichen Bezug der Musik: Eingeblendet wurden die Glasfenster der Kathedrale von Salisbury.

Schon bei Mozarts populären C-Dur Klavierkonzert zuvor war die anfänglich spürbare Nervosität verflogen, waren die Musiker im symphonisch geprägten ersten Satz in einen Dialog mit Denis Ivanov getreten, bei dem der in Petersburg geborene Pianist zwar die Tempi vorgab, aber das Orchester geradezu mitriss.

Seinen starken Klangausdruck brachte Ivanov, der in Köln lebt und mit bedeutenden Orchestern zusammen arbeitet, vor allem im zweiten Satz zur Geltung. Beim schwebenden, fast entrückten Andante, ausdrucksstarke Hintergrundmelodie vieler Filme, wusste er der weiterfließenden Melodie stets neue Gedanken hinzuzufügen, ohne den Fluss wirklich zu unterbrechen. Das Allegro des dritten Satzes gestaltete er vergnügt, aber keineswegs ausgelassen, der Würde, der dazu eingeblendeten Großfotos von Wien und Salzburg angemessen.


Ein besonderes Erlebnis

Angepasstes Orchesterspiel, wechselnde Beleuchtung der Bühne und die passenden Fotos ließen vor allem den Winter von Antonio Vivaldis "Vier Jahreszeiten" zu einem besonderen Erlebnis werden. Zu den kältestarrenden Naturbildern lieferte die Solovioline den erbarmungslosen Wind, tupften die Violinen im Pizzicati Schneeflocken an die vereisten Scheiben und das blau-kalte Bühnenlicht ließ die Besucher fast frösteln.

Bei Wagners "Lohengrin"-Fantasie konnten sich endlich auch die Blechbläser von ihrer besten Seite zeigen und schmetterten heroische Passagen wie "Nie sollst Du mich befragen" , als stünden sie auf den Zinnen der Gralsburg , die als Bild über dem Orchester thronte.

Und dann gab es doch noch Walzerklänge, allerdings aus Richard Strauss' Rosenkavalier. Und hier wurde dem stimmigen Gesamteindruck neben der Musik mit den anmutigen Walzerklängen, die das Kurorchester formidabel intonierte, noch ein Stück Bad Kissinger Glanz verliehen. Fünfzig Rosen - alle aus dem Rosengarten - schwebten über dem Orchester. Wie alle anderen Bilder vom ambitionierten Hobbyfotograf Klaus Stebani. Tautropfen glitzerten auf roten, rosa, weißen und purpurnen Blütenblättern, erinnerten an betörenden Sommerduft in Kissingens Flaniergarten.

Der stürmische Applaus feierte Orchester und auch die Art der Präsentation, wie ein Gast aus Marburg bestätigte: "Da hat man die Musik noch besser verstanden". Elena Iossifova dankte dem Publikum, ihren Freunden vom Förderverein Kurorchester, Kurt Rieder und Klaus Stebani, den Technikern und ihren Musikern: "Ihr ward wunderbar".