Ehrgeiz und Liebe zur Musik machen Defizite wett

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Die Lippen am Mundstück richtig formen, die Ventile des Flügelhorns korrekt betätigen und zugleich auch noch Noten richtig lesen: Das fällt nicht nur dem 62-jährigen Reinhard Reuter schwer ...
Trompetenregister.
 
Christina Kessler mit Flöte.
 
Die Klarinettistinnen.
 
Registerprobe mit Michael Reinhart.
 
Registerprobe mit Michael Reinhart.
 
Tonbildung und Griffsicherheit brauchen viel Übung.
 
Die Posaunenspieler mit Michael Reinhart.
 
Matze Reith bei der Gesamtprobe mit der Bläserklasse.
 
Auch zwei Tenorhörner sind vertreten (hinten links).
 
Gesamtprobe mit Matze Reith.
 
Gesamtprobe
 
Waldhörner, Posaunen und Tuba.
 
Flügelhörner und Tuba.
 
Alfred Meder hat Spaß am Saxophonspiel.
 
Cornelia Holzinger (v.l.), Gabi Binder und Christine Lehmann.
 
Elisabeth Borst spielt die Tuba.
 
Vier Klarinettistinnen.
 
Tubistin Elisabeth Borst und Musiklehrer Thomas Bogner.
 
Cornelia Holzinger und Gabi Binder.
 
Andrea Ruppert am Tenorhorn.
 
Die Saxophonistinnen.
 
Griffsicherheit braucht viel Übung.
 
Klarinetten und Saxophon.
 

Was Mädchen und Jungen ab dem frühesten Kindesalter spielerisch leicht lernen, müssen sich Erwachsene oft hart erarbeiten. Diese Erfahrung machen derzeit 28 Frauen und Männer, die in einer Bläserklasse für Erwachsene meist völliges Neuland betreten haben.

"Anstoß für dieses Experiment war eine Bläserklasse für Kinder und Jugendliche", erklärt Thomas Reuter in seiner Funktion als Vorsitzender des Musikvereins Ober-/Untereschenbach. "Dabei ist angeregt worden, dass die Eltern selbst einmal eines der Blasinstrumente in die Hand nehmen und probieren, ob sie diesem einen Ton entlocken können."
Viele der 28 Frauen und Männer im Alter von 17 bis 64 Jahren haben viele Jahre Verzicht geleistet, weil sie zuerst ihren Kinder die Möglichkeit für eine fundierte schulische, berufliche und musische Ausbildung ermöglichten wollten. Dabei gingen sie alle schon seit langem mit dem Gedanken schwanger, eines Tages einen Anfang zu wagen.

Die Angst, sich zu blamieren


Doch die Angst, sich blamieren zu können, hat in vielen Fällen verhindert, dass Frau und Mann nicht schon früher zu Klarinette, Flügel- und
Waldhorn, Saxophon und Trompete gegriffen haben. Mit dem Experiment Bläserklasse bot sich ihnen urplötzlich die richtige Plattform.
Thomas Reuter als einer der Ideengeber und Matze Reith als Musikpädagoge gingen derweil noch Klinken putzen, damit aus Ober- und Untereschenbach genügend Interessenten zusammen kamen. Ein Bericht in der Saale-Zeitung brachte schließlich weitere Musikbegeisterte, zwei davon gar aus Hessen, zur Bläserklasse für Erwachsene.
Die Motivation ist bei allen Frauen und Männern gleich: Es sind die Liebe zur Blasmusik und der Wunsch, selbst ein Instrument spielen zu können. Bei den meisten der 28 Akteure gleichen sich auch die Rahmenbedingungen: Mindestens ein Blasinstrument ist in der Familie vorhanden, verstaubt zu Hause.

Ein schwieriges Unterfangen


Die Lippen am Mundstück des Flügelhorns richtig zu formen, gleichzeitig die Ventile des Instruments wie gefordert zu betätigen und gleichzeitig auch noch die Noten zu lesen bedeutet nicht nur für Reinhard Reuter eine enorme Konzentrationsleistung. "Nach jeder Übungsstunde habe ich geschwollene Lippen." Beide Söhne musizieren oder haben aktiv gespielt. Gabi Binders drei Kinder sind ebenfalls musikalisch engagiert. "Das war meine Motivation." Deswegen spielt sie jetzt Saxophon. Alfred Meder, mit 64 einer der Oldies in der Bläserklasse, gesteht unumwunden, "ich hatte schon immer eine Faible für das Saxophonspielen". Jetzt erfüllt er sich einen Traum.

Im Schneeball-Verfahren


Meder hat übrigens maßgeblichen Antail daran, dass Sabine Hoflender aus Bad Brückenau in der Bläserklasse mitwirkt.Zumal Meder sich bei deren Lebensgefährten Manfred Schneider Rat holen wollte, ob es Sinne mache, in betagtem Alter noch einmal ein Instrument zu lernen.Über Sabine kamen dann noch Elke Gebhart sowie Bettina Roth und Dorina Dorn (beide Sinntal-Oberzell) zur Gruppe.
Spannend auch die Geschichte von Elisabeth Borst aus Aschach. "Seit drei Jahren liebäugle ich schon damit, Tuba zu spielen." Der Zeitungsartikel über die geplante Bläserklasse gab schließlich den Ausschlag, tatsächlich zum tiefen Blech zu greifen, das eigentlich von ihrem Sohn gespielt wird. Lange Zeit übte sie heimlich, ehe sie sich jetzt aus der Deckung wagte.

Am Anfang gab es reichlich Skepsis


Und wie war der erste Eindruck des musikalischen Leiters der Bläserklasse, Matze Reith? "Oh, mein Gott, das dauert!" Heute, nach einem Dutzend Proben, sind alle Erwartungen weit übertroffen. "Unglaublich, was die für einen Ehrgeiz entwickeln. Alle üben fleißig zu Hause." Tonbildung gerade beim hohen Blech, fehlende Griffsicherheit und Notenlesen sind laut Reith die Hauptprobleme. Doch: "Wir kommen mit unserer Literatur sehr gut voran." Darüber, dass das Experiment Bläserklasse für Erwachsene so gut eingeschlagen hat, freut sich auch Thomas Reuter.
Derweil verfolgt die Bläserklasse ein konkretes Ziel: Im Sommer soll der erste öffentliche Auftritt erfolgen. Dann werden auch die bisweilen noch spöttelnden Söhne und Töchter ihren spät berufenen Muttis und Papas applaudieren, wenn diese konzertante Literatur spielen.