Die Rhön als Modellregion

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Entdeckt am Wegrand bei einem Spaziergang zum Kreuzberg: Ein Pantherspanner nascht vom Giersch. Foto: Kathrin Kupka-Hahn
Entdeckt am Wegrand bei einem Spaziergang zum Kreuzberg: Ein Pantherspanner nascht vom Giersch.  Foto: Kathrin Kupka-Hahn
 

Die Nationalpark-Kritiker haben das Konzept "Zukunftswald 2100" erarbeitet. Sie wollen den Staatswald schützen und nutzen.

Naturschutz geht auch anders. Davon ist Reinhard Landgraf überzeugt. Er ist Forstrat im Ruhestand, 64 Jahre alt. "Und, wir brauchen ein Modell für ganz Europa", betont er. Schließlich mache der Klimawandel mit seiner Erderwärmung und Trockenheit nicht nur den Wäldern in Bayern zu schaffen, sondern wirke überall auf dem Kontinent.
Erklärtes Ziel müsse deshalb sein, die vorhandenen Waldgebiete so umzubauen, dass sie mit den geänderten klimatischen Verhältnissen zurechtkommen, aber weiterhin nutzbar bleiben. Die Natur und deren Artenvielfalt soll parallel dazu erhalten und geschützt werden. Ginge es nach Landgraf und seinen Mitstreitern vom Verein "Unsere Rhön - gemeinsam stark", dann sollte dieses Ziel so bald als möglich festgelegt und in den Staatsforsten der Rhön umgesetzt werden. Doch wie soll das geschehen? Auch dazu haben sich die Verantwortlichen des Vereins Gedanken gemacht und das Konzept "Zukunftswald 2100 - Eine Alternative zu einem Nationalpark in der Rhön" erstellt. "Statt die Wälder stillzulegen und sich selbst zu überlassen, wollen wir die Waldgebiete schützen und nützen", fasst Landgraf zusammen. Letzteres aber nicht nur zur Holzgewinnung, sondern auch zu Forschungs- und Dokumentationszwecken.


Acht Themenschwerpunkte

Wissenschaftler und erfahrene Forstleute sollen dabei auf vielfältige Weise zusammenarbeiten, Theorie und Praxis abgleichen und Lösungen finden. "Die Rhön könnte eine Modellregion werden, ähnlich wie es Bad Neustadt in Sachen Elektromobilität bereits ist", ist Landgraf überzeugt. Ein Prozess, der nach seiner Einschätzung mehrere Jahrzehnte dauern kann, zudem mehr Personal in den Staatsforsten erfordert und richtig Geld kostet.
Acht Themen haben er und seine Mitstreiter für das Konzept "Zukunftswald 2100" gesetzt. An erster Stelle steht dabei der Waldumbau. "Die Fichte beispielsweise ist vom Klimawandel stark betroffen, auch die Kiefer", weiß Landgraf. Deshalb würden schon seit Jahren Alternativen von den Fachleuten im Landesamt für Forstwirtschaft (LfF) Freilassing gesucht. Landgraf war bis Oktober 2016 im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) für die Qualitätssicherung forstlicher Förderungen zuständig. "Es ging dabei um den Waldumbau und dessen Pflege, den Wegebau und um den Vertragsnaturschutz", sagt er. Mit dem LfF hat er intensiv zusammengearbeitet. Vor seiner Zeit im AELF kümmerte er sich als Förster um das Revier Oerlenbach und die Gemeindewälder in Ramsthal und Sulzthal.


Kostenintensive Nachzucht

Seiner Meinung nach ist die Eiche der geeignetste Kandidat, um die Wälder der Region umzubauen. "Doch sie ist in der Nachzucht äußerst schwierig", sagt er. Zudem sei die Pflege der Jungbäume sehr kostenintensiv.
Ein weiterer Ansatz für den Waldumbau ist die Holzernte. Landgraf hält eine schonende Einzelstammentnahme in einem altersgemischten Wald für wichtig. "Entsprechend müssen die Maschinen verkleinert werden", schlägt er vor. Alternativ könnten alte Rücke-Maschinen eingesetzt werden, wobei so weniger Ertrag erzielt wird. Was wiederum ein Umdenken in der Arbeitsorganisation notwendig macht. Zudem sei es erforderlich, die Holzernte dort zurückzufahren, wo schützenswerte Gebiete sind. Denn der Naturschutz ist für den Forstrat a.D. und seine Mitstreiter ebenso wichtig. "Da ist in der Rhön schon viel gemacht worden", sagt er. Als Beispiele nennt er die Biotopbäume, die es recht zahlreich in den Wäldern gibt, und den Anteil an Totholz, der bei zehn Festmeter pro Hektar liegt.
Außerdem bestehen 30 sogenannte FFH-Gebiete sowie fünf SPA-Gebiete. Flora-Fauna-Habitate sind spezielle, nach europäischen Normen gestaltete Schutzzonen, die dem Erhalt von Pflanzen , Tieren und ihrem Lebensraum dienen. Als SPA-Gebiete werden spezielle Vogelschutzzonen bezeichnet.


Wildpark Klaushof ausbauen

Nicht nur Fachleute sollen den Zukunftswald 2100 nutzen können, sondern auch die Bewohner der Region. Einerseits sehen Landgraf und seine Mitstreiter großen Bildungsbedarf. "Viele wissen gar nicht mehr, wie die Abläufe im Wald funktionieren", so seine Erfahrung. Mit Umweltcamps, Info-Zentren sowie Führungen zu interessanten Waldgebieten könne Abhilfe geschaffen werden. "Diese Entwicklung haben wir verpennt", gibt Landgraf offen zu. Außerdem müsste der Wildpark Klaushof weiter ausgebaut werden. "Mit Toilette und Wickeltisch", betont der Forstwirt.
Andererseits soll das Thema Erholung und Tourismus im Wald intensiviert werden. So könnten Waldcamps oder Waldhotels entstehen. Parallel dazu hält Landgraf die Idee vom Therapiewald, die der Kurverein Bad Bocklet entwickelt hat, für sehr gut. Denn Waldflächen eignen sich hervorragend zu Therapiezwecken.


Wildpopulationen analysieren

Auch dem Thema Jagd haben sich die Visionäre gewidmet. Für Landgraf ist ganz wichtig, dass zunächst die Wildpopulationen analysiert werden. "Das Zeit-Raum-Verhalten muss umfassend erforscht werden. Das dauert 20 bis 30 Jahre", ist der Förster überzeugt. Daraus ließen sich dann verschiedene Jagdmethoden ableiten, ebenso, welche Wildschäden und auch Seuchen wirklich auftreten.
Ihr Konzept vom Zukunftswald sehen Landgraf und seine Mitstreiter als Grundlage für weitere Gespräche. Ministerpräsident Horst Seehofer hat bereits ein Exemplar erhalten.