Reicht das, um die Entstehung eines Rudels in der Rhön vorherzusagen? Biologe Torsten Kirchner, Gebietsbetreuer im Naturschutzgebiet Lange Rhön für die Bayerische Wildlandstiftung, glaubt, "dass eine Verpaarung irgendwann ansteht". Eigentlich könne das jedes Jahr passieren. Kirchner hatte mit einer Rudelbildung schon bei der ersten sesshaften Wölfin (GW1069f) und einem durchziehenden Rüden gerechnet. Was aber nicht eingetreten sei.
Dass es in der Rhön ein Wolfsrudel geben könnte, dafür fehlen auch laut LfU die Belege. "Aussagen über eine Wahrscheinlichkeit zur dauerhaften Ansiedlung, zu Verpaarung, Nachwuchs- und Rudelbildungen sind nicht möglich", schreiben dessen Wildtierexperten. "Finden Einzeltiere keinen geeigneten Partner, kommt es auch dazu, dass sie die ihnen bekannten Gebiete verlassen." Bei GW1069f könnte es so gewesen sein (falls sie noch lebt).
Der "Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf" zufolge entstehen neue Wolfsrudel, "indem junge Wölfe aus dem elterlichen Territorium abwandern und mit einem Partner eine eigene Familie gründen". Viele Wölfe würden nur 50 bis 100 Kilometer umherziehen, quasi den nächsten freien Platz nutzen, um sich niederzulassen. Einige Jungwölfe - in Deutschland besonders häufig Weibchen - würden auch das Territorium der Eltern ganz oder teilweise übernehmen, wenn diese älter werden oder einer von beiden stirbt. Unabhängig von standortreuen Tieren können laut Umweltamt gerade junge Rüden auf der Suche nach einem geeigneten Territorium sehr weite Strecken wandern und so jederzeit überall in Bayern auftauchen.
Laut LfU hängt die Größe eines Rudel-Territoriums von der dort erhältlichen Nahrung ab. Diese Reviere umfassen in Europa im Schnitt zwischen 150 und 350 Quadratkilometer. Durch regelmäßige Markierungen (Kot, Urin)und Heulen grenzt das Elternpaar sein Territorium gegen andere geschlechtsreife Wölfe ab. Dort siedeln sich keine anderen dieser Raubtiere an.
Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie führt neben vier Einzelgängern (inklusive GW1422f) ein Wolfspaar und ein Rudel auf. Das Paar ziehe im Landkreis Hersfeld-Rotenburg seine Kreise. 80 Kilometer sind es von dort bis zur Langen Rhön. Ein Rudel mit Welpen wurde nachgewiesen im Rheingau-Taunus-Kreis. Entfernung zur Rhön: fast 200 Kilometer. Ein Kontakt scheint bei den weiten Wanderungen der Wölfe jedoch nicht ausgeschlossen.
Das LfU schreibt, dass ein Wolf in der Regel die für ihn am leichtesten zugängliche Nahrung nutzt. "Deshalb bevorzugt er, wenn möglich, weniger wehrhafte Beutetiere (Jungtiere oder alte, kranke und schwache Tiere). Auch unzureichend geschützte Nutztiere können so zur Beute werden."
Ein Sprecher macht auf eine Studie aus der Schweiz aufmerksam, die verändertes Jagdverhalten in der Familie belegen. "Wölfe in Rudeln, die Dank der Rudelstruktur erfolgreicher jagen können, bevorzugen Wildtiere", heißt es im Internetauftritt des Zoos Zürich. Ein stabiles Rudel sei "eine gute Voraussetzung für weniger Nutztierrisse, da das Rudel einerseits bevorzugt Wildtiere jagt und anderseits einzelgängerische Wölfe aus dem Gebiet fernhält".
Torsten Kirchner will diesen Zusammenhang so nicht bestätigen. Er glaubt, dass es von den ersten Erfahrungen eines wolfes abhängt, ober auf Wild- oder Nutztierbeute geht. Wenn es an einem Schutzzaun eine gewischt bekomme, merke sich das Tier das sicherlich.
Von der ersten sesshaften Wölfin (GW1069f) ist dem Gebietsbetreuer nicht bekannt, dass sie Nutztiere gerissen hat (außer ein herrenloses Schaf, das frei herumlief). GW1422f hingegen sei zum Einstand in Rhön-Grabfeld eine Ziegenherde angegangen.
Jäger Enno Piening sieht die a uch die vom LfU angepriesenen Schutzzäune wegen der hohen Kosten kritisch. Er zweifelt den aktuellen Schutzstatus des Wolfes angesichts der bundesweit großen Anzahl an. Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber fordert gar dessen Abschuss in Oberbayern, weil er dort die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde. Piening hingegen möchte den Wolf sicher nicht ausmerzen. Aber ihn zu verherrlichen, findet er auch nicht richtig.