Das erste Kissinger Dampferle

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Das "Kissinger Dampfschiffchen", im September 1879 skizziert von Oskar von Alvensleben (1831-1903) Fotos: Sigismund von Dobschütz
Das "Kissinger Dampfschiffchen", im September 1879 skizziert von Oskar von Alvensleben (1831-1903)  Fotos: Sigismund von Dobschütz
Oskar von Alvensleben
Oskar von Alvensleben
 

Das Stadtarchiv hat eine Skizze des ersten auf der Saale eingesetzten Bootes gekauft.

Bad Kissingen — Das kleine, nicht einmal zehn Zentimeter breite und knapp 16 Zentimeter hohe, leicht vergilbte Skizzenblatt mag auf den unwissenden Betrachter recht unscheinbar wirken. Doch für das Bad Kissinger Stadtarchiv ist die im September 1879 gefertigte Zeichnung des Malers Oskar von Alvensleben (1831-1903), die kürzlich aus Würzburger Privatbesitz erworben wurde, eine Besonderheit: Auf der oberen Hälfte ist das "Kissinger Dampfschiffchen" skizziert.
Es ist die älteste bekannte Abbildung des ersten "Dampferles".
Ruhig dümpelnd liegt das kleine Boot an der wild bewachsenen Anlegestelle am Gradierbau (Untere Saline) auf spiegelndem Saale-Wasser. Weißer Qualm steigt kräuselnd aus dem Schornstein empor. Auf dem flachen Bootsrumpf sind schlichte Aufbauten mit teils aufgerollten, teils herabgelassenen Stoffbahnen zu erkennen, die die Fahrgäste vor Sonne, Wind und Regen schützen sollen. Als Zugang zum Ufer dient ein schmales Holzbrett. Darauf steht der Schiffsführer, an sein Boot gelehnt, und bereitet es gerade für die nächste Fahrt vor.

Dampfer kam per Bahn

Stolz darf er auf sein fabrikneues "Dampferle" sein. Zwei Jahre hatte es gedauert, bis es Ingenieur Karl von Paschwitz (1837-1880) endlich 1878 auf seinem regelmäßigen Liniendienst zwischen der Stadt und dem Salinenbad (Untere Saline) einsetzen konnte, wo sogar Reichskanzler Otto von Bismarck seit 1874 bei Kuraufenthalten sein Bad zu nehmen pflegte. 1871 war Paschwitz als Distriktsingenieur (heute: Kreisbaumeister) von Würzburg nach Kissingen versetzt worden. Am 15. November 1876 stellte er einen Antrag zum Betrieb eines Dampferverkehrs ins benachbarte Dorf Hausen. Er muss wohl fest mit der Genehmigung gerechnet haben, denn schon am 7. Juli 1877 traf der kleine Schraubendampfer als Bahnfracht in der Kurstadt ein. Paschwitz hatte ihn in Zürich bei der damals in Dampfmaschinentechnik führenden Firma Escher Wyss AG bestellt. Am 13. August 1877 begann der Fahrbetrieb auf der Saale - wohl zunächst nur probeweise. Denn erst am 5. Oktober 1877 wurde dem Betreiber die offizielle Konzession durch das Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Äußeren mit einer Laufzeit von 25 Jahren erteilt. Pünktlich zum Saisonbeginn 1878 konnte der regelmäßige Schiffsverkehr aufgenommen werden.
Das auf den Namen "Kissin gen" getaufte Boot, von den Einwohnern schlicht "Dampferle" genannt, fasste 40 Fahrgäste und hatte, passend zum niedrigen Wasserstand der Saale, einen Tiefgang von nur 75 Zentimetern. Der Gebrauch guter, wenig ruß- und geruchserzeugender Kohle war vorgeschrieben. Die Besatzung bestand aus drei Mann - einem Heizer, einem Schaffner und dem Schiffsführer.
Diesen Schiffsführer skizzierte nun Mitte September 1879 der Maler Oskar von Alvensleben auf einer seiner häufigen Studienreisen durch Süddeutschland. Er stammte aus wohlhabendem Adelshaus und konnte es sich leisten, seiner Leidenschaft als Landschaftsmaler nachzugehen. Seit 1866 lebte er schon in Dresden und studierte bis 1874 an der dortigen Kunstakademie. Auf seinen Reisen, die ihn auch ins europäische Ausland führten, fertigte er zahlreiche Bleistiftskizzen, einige auch mit Tusche oder Wasserfarben. Nach Dresden zurückgekehrt, malte er nach diesen Vorgaben seine Aquarelle. Ob Alvensleben auch von seiner Dampferle-Skizze ein solches Aquarell malte, ist nicht bekannt.

Bis 1883 im Dienst

Dampferle-Betreiber Karl von Paschwitz starb schon ein Jahr später (1880) im Alter von 42 Jahren. Seine erst 27-jährige Witwe Helene führte den Betrieb noch bis 1882, verkaufte dann aber die Konzession an den Kissinger Baumeister Andreas Lohrey (1843-1924). Dieser ersetzte die erste "Kissingen" 1883 durch ein neues Dampfboot und erweiterte fünf Jahre später den Schifffahrtsbetrieb auf der Saale sogar um ein zweites Boot - die erste "Saline".