Nur durch bewusstes Loslassen kann ein besonderer Tanz funktionieren: Der Tango Argentino.
Improvisation ist das richtige Wort, um den Tango Argentino zu beschreiben. Sieht man professionelle Paare Tango tanzen, dann bemerkt man vor allem die perfekte Harmonie der beiden Tänzer. Doch eins ist es gerade nicht: einstudiert. Und das ist es, was den Tango zu einem ganz speziellen Tanz macht. Denn ein Partner - meistens die Frau - muss rezeptiv sein, um zu erspüren, wohin es geht und was der führende Tanzpartner will. Nur, wenn beide im Augenblick, in ihrer Rolle und bei sich sind, dann wird es ein harmonischer Tanz.
Anders als bei Standard-Tänzen
"Natürlich gibt es Grundschritte und einige Regeln zu beachten", sagt Alexander Beck, der zusammen mit seiner Frau Christine ein offenes Tangotreffen in Oberleichtersbach organisiert. "Aber es gibt keine festgelegte Schrittfolge wie bei Standart-Tänzen", fügt er hinzu. Vor fünf Jahren hat das Tango-Fieber das Ehepaar gepackt und seitdem besuchen sie - alleine oder zusammen mit befreundeten Paaren - immer wieder Kurse und Milongas, also Tanzveranstaltungen, auf denen Tango getanzt wird.
Zur Vertiefung des Erlernten beschloss das Ehepaar Beck aus Mitgenfeld vor einem Jahr, ein wöchentliches Tango-Treffen im Gemeindehaus in Oberleichtersbach anzubieten. "Hier üben wir und teilen unser Wissen, denn der Tanz ist auch Arbeit", bestätigt Christine Beck. Gerade für viele Frauen sei der Tanz zunächst ungewöhnlich oder gar gewöhnungsbedürftig, denn die Frau muss sich führen lassen und erspüren, was der Mann will. Das bestätigt auch Birgit Frech, die mit ihrem Partner regelmäßig am Tango-Treffen teilnimmt: "Wenn man es schafft, dann ist es ein ganz tolles Erlebnis, das eine direkte Begegnung mit dem Partner möglich macht". Das Loslassen vom Alltag und das Einlassen im Moment ist für ihren Partner Egon Hildmann zentrales Element. "Der Mann hat den schwierigen Part, denn er muss wissen, was er will. Er muss zielstrebig sein", sagt Alexander Beck über die Männerrolle beim Tango. Die Frau schmückt hingegen aus und folgt dem Mann.
Wem das aus alten Beziehungsmustern bekannt vorkommt, und vor allem, wem das überholt erscheint, der kann durchaus an Grenzen kommen. "Natürlich gibt es auch Frauen, die beim Tanzen die Führungsrolle übernehmen und Männer, die folgen", sagt Alexander Beck, das sei nicht ungewöhnlich. Doch Frech sagt über ihre Rolle beim Tanzen: "Ich genieße es, bewusst loszulassen und mich führen zu lassen, denn im Alltag muss ich stark sein".
Große Intimität
Tango ist ein Beziehungstanz und erfordert eine starke körperliche Kommunikation, wie schnell klar wird. Betrachtet man die Paare, sieht man sofort eine große Intimität. "Hier sind schon einige Male die Fetzen geflogen", sagt Christine Beck. Konflikte, die im Alltag nicht ausgetragen werden, können in der direkten Begegnung beim Tanzen ans Tageslicht kommen. Eine Art Paartherapie also?
"Es geht dabei um jede Art der Kommunikation - nicht ausschließlich um die Interaktion von Paaren", sagt Christa Eichelbauer, Diplom-Psychologin, Yogalehrerin und Tangotänzerin aus Hamburg. Sie war eine der ersten, die den Fokus auf den psychologischen Zusammenhang zwischen Tango und Kommunikation oder Beziehung gelegt hat. Seit 2007 beschäftigt sie sich mit diesen Aspekten, teilweise in Kombination mit Meditation. "In der Improvisation - das heißt: Was wird mit welchem Ausdruck zu welcher Musik getanzt - zeigen sich das Können, die Kreativität, die Intelligenz und auch die Persönlichkeit beziehungsweise der Charakter des Führenden bzw. auch der Folgenden, wenn es um Adornos, Verzierungen geht", erklärt sie. Der Tanz verlange von Beginn an eine sehr hohe Abstimmung der Partner.
Hohe Konzentration
"Die folgende Person versucht, in höchstem Maß rezeptiv zu sein für die Signale des Partners. Dafür braucht es hohe Konzentration und zugleich Flexibilität und Entspanntheit, um schnell reagieren zu können. Die führende Person ist um Klarheit und vorausschauende Führung bemüht, die jederzeit empathisch wahrnimmt, ob der folgende Partner die Signale aufnehmen kann, um die Führung gegebenenfalls flexibel anpassen zu können", erklärt sie die psychologischen Rollen der beiden Tanzpartner.
Geleitet von professionellen Fachleuten können so dynamische Muster in einer Beziehung sichtbar gemacht, benannt und bearbeitet werden. Eichelbauer bietet Seminare im deutschsprachigen Raum zu den Themen Beziehung, Kommunikation, Unternehmenskultur und psychische Gesundheit an.
Bisher hat es beim Tango-Treffen in Oberleichtersbach keine Trennungen gegeben, beruhigt Christine Beck. Allerdings, fügt sie augenzwinkernd hinzu, soll es schon Tanzpaare gegeben haben, die beim Tango Argentino die große Liebe gefunden haben.
Tango-Treffen
Ort Das Treffen findet jeden Mittwochabend im Gemeindehaus in Oberleichtersbach statt. Interessierte melden sich bei Christine Beck, Tel.: 09741/6301 an.
Vorschau 3. bis 5. November 2017: "Achtsamkeit in der Beziehungsgestaltung" - auch ohne Tanzpartner. Akademie Heiligenfeld, Bad Kissingen. Mit Christa Eichelbauer und Maude Andrey (Deutsche Meisterin für Tango Argentino de Salon in 2014). Anmeldung: info@akademie-heiligenfeld.de; Tel: 0971/844 600
Infos unter
www.psytango.de