Bad Kissinger Arzt: Impft eure Kinder

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Der Mediziner Ralph Brath. Foto:Benedikt Borst
Der Mediziner Ralph Brath. Foto:Benedikt Borst

Dr, Ralph Brath kritisiert, dass der Landkreis zu wenig Impfstoff zur Verfügung hat. Und das liege nicht an Landrat Thomas Bold.

Seit Montag gelten auch im Landkreis weitreichende Lockerungen in fast allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens, die Innengastronomie sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen dürfen wieder öffnen. Die Quote der Erstimpfungen liegt mit 43,2 Prozent zwar minimal unter dem Bundeswert, bei den vollständig Geimpften aber mit 22,6 Prozent knapp darüber. Der aktuelle Inzidenzwert steht bei 14,5 (Stand 9. Juni). Ist also alles wieder gut? Wir haben nachgefragt beim Allgemeinmediziner und Hausarzt Dr. Ralph Brath, Leiter des Bad Kissinger Impfzentrums und Koordinierungsarzt der Kassenärztlichen Vereinigung.

Herr Dr. Brath, aktuell hat sich die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis bei unter 15 eingependelt. Könnten die bestehenden Corona-Schutzmaßnahmen nicht völlig aufgehoben werden?

Dr. Ralph Brath: Lockerungen können auch zu Leichtsinn führen: Mit Menschen vor einer Supermarkt-Kasse zu stehen, kann immer noch gefährlich sein. Neue, vielleicht hochansteckende Mutanten können sich jederzeit ausbreiten. Wenn man also einen Wiederanstieg der Infektionen vermeiden will, müssen die Hygiene-Maßnahmen vor allem in geschlossenen Räumen weiterhin beibehalten werden.

Kann die wachsende Zahl vollständig Geimpfter einen Wiederanstieg der Infektionen verhindern?

Durch eine hohe Zahl Geimpfter kann dieser Effekt sicher vermindert werden. Es bleibt aber ein Wettlauf zwischen Neuansteckung und der Impfrate mit unbekanntem Ausgang, solange wir die notwendige Herden-Immunität nicht erreicht haben.

Apropos "Impfrate": Erhält der Landkreis ausreichend Impfstoff? Momentan sind im Impfzentrum Tattersall die Erstimpfungen gestoppt, um mit den verfügbaren Impfdosen die anstehenden Zweitimpfungen durchführen zu können.

Unser Landkreis bekommt insgesamt ungenügend Impfstoff. Vor allem unser Impfzentrum wird mit immer weniger beliefert, obwohl sich Landrat Bold bei der Staatsregierung um eine verstärkte Zuteilung bemüht hat. Da wir keine exzessiven Krankheitsausbrüche wie in mancher Grenzregion hatten, haben wir nie Sonderzuteilungen erhalten. Auch werden unsere impfwilligen Arztpraxen nicht nach Bevölkerungszahl, sondern der Landkreis insgesamt nur nach Zahl impfwilliger Praxen beliefert.

Was halten Sie von der Aufhebung der Priorisierung?

Ich erwarte keine Nachteile. In einigen Praxen wurde dies schon vorher gehandhabt, da sich keine Impfwilligen der Priorisierungsgruppen 1 bis 3 mehr finden ließen. Generell gilt: Jeder Arzt impft seine Patienten nach der Notwendigkeit, der Nachfrage und dem Impfstoffvorrat. Hier gibt es kein Patentrezept.

Es war zu hören, dass Ärzte beschimpft wurden, weil Patienten nicht sofort einen Impftermin bekamen. Gab es dies auch bei uns?

Aggression von Patienten habe ich selbst nicht erfahren und auch von Kollegen nichts gehört. Es gibt aber wählerische Patienten, die nur einen bestimmten Impfstoff wollen. Dies kann zu Wartezeiten und beim Patienten zu Unverständnis führen. Eine nach Altersgruppen vorgeschriebene Verwendung der Impfstoffe wäre hilfreich und würde viele Telefonate überflüssig machen. Die vor Wochen in Bayern ausgesetzte Erstimpfung mit Vektor-Impfstoffen in den Impfzentren war im Sinne einer schnellen Durchimpfung der Bevölkerung nicht hilfreich.

Biontech/Pfizer ist jetzt zur Impfung für Kinder ab 12 Jahren zugelassen, Moderna soll bald folgen. Was raten Sie den Eltern?

Kinder erkranken nur sehr selten schwer an Covic 19, können aber das Virus sogar als symptomloser Überträger an Andere weitergeben, die dann schwer erkranken können. Im Sinne der Herden-Immunität ist deshalb eine Impfung auch der Kinder unumgänglich.Ob aber genügend Impfstoff für Kinder vorhanden sein wird, hängt von Lieferungen der Hersteller ab.

Wann werden wir Ihrer Meinung nach wieder normal leben können?

Wenn wir wollen, dass es im Sommer, mindestens aber ab Herbst oder Winter keine Vorschriften mehr geben soll, um ein "normales" Leben führen zu können, müssen wir weiterhin die grundsätzlichen Hygiene-Maßnahmen befolgen. Für unser aller Gesundheit und Leben muss jeder Einzelne seinen Beitrag leisten und darf dies nicht unsolidarisch auf Andere abwälzen.

Die Fragen stellte Sigismund von Dobschütz