Dorothee Bär schaltet sich ein
Die Auseinandersetzung ist zu einem Politikum geworden. Sowohl Rottmann, als auch Dorothee Bär (CSU), Bundestagsabgeordnete für Bad Kissingen sowie Staatsministerin im Bundeskanzleramt, haben sich an die AOK gewendet und versuchen, zu vermitteln.
Bärs Meinung nach ist in der Phase nach der Diagnose viel schief gelaufen. Freibott hätte intensiv beraten werden müssen, wurde stattdessen aber allein gelassen. Sie sei froh, dass das Paar sich auf eigene Faust gekümmert hat. Aber: "Dass Krankenkassen ihre Entscheidungen auf Grundlage der erstellten Gutachten treffen ist rechtlich korrekt und nachvollziehbar", sagt Bär. Sie hoffe, dass die Ausnahmeregelung bei der Lutetium-Behandlung Anwendung findet. "Jedoch müsste hierzu das Gutachten angepasst werden."
Rottmann hält den Fall für sehr dringend. Es sei für Betroffene schwer, die drei Ausnahmekriterien für sich durchzusetzen. Vielen fehle schlicht die Kraft, das Geld oder auch die Zeit sich durch die Instanzen zu klagen. "Am Ende kann es sein, dass ich Recht bekomme, aber nichts mehr davon habe", sagt Rottmann. Auch für die Verantwortlichen bei den Kassen sei es nicht angenehm, solche Fälle zu entscheiden, weil sie in Regress genommen werden können, wenn sie leichtfertig mit den Geldern der Versichertengemeinschaft umgehen. Rottmann schlägt deshalb vor, dass künftig eine Härtefallkommission darüber entscheiden solle, ob eine Kasse die Behandlung zahlen muss.
Kommentar: Das Gesundheitssystem muss sich rechtfertigen
Der Fall von Richard Freibott hat mehrere Seiten: Auf den ersten Blick fallen die menschliche und die juristische auf. Auf menschlicher Seite steht da ein sterbenskranker Mann mit seiner Familie. Sie werden nach einer für sie alles erschütternden Diagnose alleingelassen, stehen inzwischen wirtschaftlich vor dem Nichts und sind dann noch dazu gezwungen ist, sich einen jahrelangen Rechtsstreit mit der Krankenkasse zu liefern - wie kann das sein, wie darf das sein, fragt man sich da.
Wie der Fall juristisch zu bewerten ist, ob die Kasse wirklich sagen darf: Ich zahle nicht - das ist Sache der Sozialgerichte.
Dann ist da noch eine dritte Seite: eine, die mit Demokratie und Transparenz zu tun hat. Die AOK Bayern muss sich vorwerfen lassen, dass sie sich und ihr Verhalten nicht ausreichend erklärt. Außer den Argumenten, die sie auch vor Gericht anführt, hat sie bislang nicht viel öffentlich zu dem Fall gesagt. Die AOK ist in der Region die größte Krankenkasse. Sie verwaltet öffentliche Gelder in Millionenhöhe. Damit sind sie und ihr Umgang mit Patienten von großem öffentlichen Interesse. Sie steht in der Pflicht, sich gegenüber den Bürgern und gegenüber den Versicherten zu rechtfertigen. Unterlässt sie das, schadet sie sich und auch dem Gesundheitswesen. Solche Fälle verunsichern Versicherte und Patienten: "Was passiert mit mir, wenn ich einmal in so eine Lage komme? Ich habe immer meine Beiträge ins System gezahlt. Wieso soll ich das überhaupt noch tun, wenn sie mich dann hängenlassen, sobald es ernst wird? Denen geht es doch sowieso nur darum, Geld zu verdienen." Das Problem ist: Wenn sich eine Seite von dem demokratischen Miteinander abkoppelt, verspielt sie Vertrauen. Und das ist leichter verloren, als wieder aufgebaut.
Im deutschen Gesundheitswesen gibt es eine starke Selbstverwaltung, mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss, den Krankenkassen, den Kassenärztlichen Vereinigungen und so weiter. Das ist an sich weder gut noch schlecht. Bedenklich finde ich, dass sich die Politik zu gern aus dieser Selbstverwaltung heraushält. Wenn politische Entscheider gefragt werden: Warum ist zu wenig Pflegepersonal da, warum soll die nächste Geburtsklinik geschlossen werden, warum gilt eine Region mit Ärzten als überversorgt gilt, obwohl die Praxen überquellen? Die Antwort ist dann oft, dass das ja alles ungeheuer kompliziert sei. Fallpauschalen, Quoten und so weiter. Aber keine Sorge: Dafür gibt es die Experten in der Selbstverwaltung. Die machen das schon.
Schön und gut. Was aber ist, wenn die Politik die Verantwortung von sich schiebt und die Experten dann auch noch meinen, sich nicht rechtfertigen zu müssen? Mit Demokratie hat das jedenfalls nicht mehr viel zu tun.
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