Viktors Reise zum Regenbogen

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An ein ernstes Stück wagte sich das Unter- und Mittelstufentheater des Franz-Miltenberger-Gymnasiums. Es handelte von dem unheilbar krebskranken Jungen Viktor (Aaron Kinanele; 2.v.l.) und Mary-Ann Sallmann als "Oma Rosa" (stehend). Im Bild: Viktors Freundin Peggy Blue erwacht nach erfolgreicher Operation im Kreis ihrer Familie. Fotos: ThomasDill
An ein ernstes Stück wagte sich das Unter- und Mittelstufentheater des Franz-Miltenberger-Gymnasiums. Es handelte von dem unheilbar krebskranken Jungen Viktor (Aaron Kinanele; 2.v.l.) und Mary-Ann Sallmann als "Oma Rosa" (stehend). Im Bild: Viktors Freundin Peggy Blue erwacht nach erfolgreicher Operation im Kreis ihrer Familie.  Fotos: ThomasDill
Oma Rosa bringt dem zunehmend geschwächten Viktor ihr Weihnachtsgeschenk
Oma Rosa bringt dem zunehmend geschwächten Viktor ihr Weihnachtsgeschenk
 
Viktor und Oma Rosa im Dialog
Viktor und Oma Rosa im Dialog
 
Viktor im Dialog mit dem Publikum, seine Eltern unbeachtete Staffage im Hintergrund
Viktor im Dialog mit dem Publikum, seine Eltern unbeachtete Staffage im Hintergrund
 

Schwere Kost bravourös umgesetzt, so lautet das Fazit eines Theaterwochenendes des Unter- und Mittelstufentheaters des Franz-Miltenberger-Gymnasiums Bad Brückenau. Erfreulich: Die Spenden der Zuschauer brachten der Kinderkrebsstation Regenbogen der Universitätsklinik Würzburg den unerwartet hohen Betrag von 1300 Euro.

Die Schüler hatten für die drei gut besuchten Aufführungen keinen Eintritt verlangt, sondern um Spenden gebeten. Das Ergebnis war überwältigend. "Diese Summe freut vor allem die engagiert spielenden Jugendlichen und belohnt sie zusätzlich für den Mut, sich an einem so schwierigen Thema zu versuchen", so Spielleiterin Barbara Libner.
Nach dem heiteren Klamauk des "Wirtshauses im Spessart" im Vorjahr wagten sich die 21 Schüler der 7. bis 10. Klasse dieses Mal an ein sehr ernstes Thema, den Sterbeprozess eines 14-jährigen Jungen. Mit nachdenklichen Gesichtern und teilweise Tränen in den Augen verließen die Zuschauer den Lola-Montez-Saal im Staatsbad .
Besonders die beiden tragenden Figuren des Stücks wussten zu überzeugen. Aaron Kinanele als unheilbar krebskranker Jugendlicher und Mary-Ann Sallmann als "Oma Rosa", eine Dame des Besuchsdienstes, spielten ihre Ängste, Wut, Ärger und Verzweiflung dermaßen plastisch, als hätten sie die Geschichte am eigenen Leib erfahren. Um alle Theatermitglieder im Stück unterzubringen, hatte Spielleiterin Libner Szenen ergänzt, die vor allem auch dazu dienten, die Ernsthaftigkeit mit Momenten des Schmunzelns etwas aufzulösen.

Zuschauer betroffen

Die Szenen, die sich teilweise stakkatoartig, ohne Bühnenvorhang, mit sparsamstem Bühnenbild und geschickter Einbeziehung des Zuschauerraums, loteten Ebenen aus, in denen jeder Zuschauer irgendwann im Stück mit Sicherheit einen Spiegel fand, in dem er sich selbst wiederfand. Viktor, krebskranker Patient auf einer Kinderstation, mit Chemotherapie und Knochenmarkspende behandelt, erfährt mehr zufällig, dass es für ihn keine Heilung mehr gibt. Seine überforderten Eltern und die Dienst nach Vorschrift arbeitende Krankenhausbelegschaft haben nicht den Mut, ihm die Wahrheit zu sagen. "Warum sagen Sie (die Erwachsenen) mir nicht einfach, dass ich sterben werde", so der sensible Junge zur einzigen Personen, zu der er Vertrauen gefunden hat und offen über alles reden kann, zu Oma Rosa, der alten Dame vom Besuchsdienst.
Mitleid und Hilflosigkeit seines erwachsenen Umfelds sind für Viktor belastender, als der eigene Umgang mit der Krankheit. Auch seine Äußerung "wenn man im Krankenhaus Sterben sagt, hört keiner mehr zu", greift das Tabu des Sterbens drastisch auf. Oma Rosa aber kennt kein Mitleid und keine Skrupel im Umgang mit dem kranken Jungen. Sie schlägt dem Jungen vor: "Lebe dein ganzes Leben jetzt in zwölf Tagen so intensiv wie du nur kannst."

Per Tagebuch zu Gott

Und so durchläuft der Junge immer mit dem Handicap seiner Krankheit sein ganzes Leben von Kindheit, über die Probleme der Pubertät, die ersten Küsse mit jungen Mitpatientinnen, Verliebtheit, Heiratsgedanken, Probleme mit gleichaltrigen, Patienten und die erfolgreiche Therapierung seiner Krankenhausliebe Peggy Blue. Er lernt dabei als "Erwachsener" Verständnis zu finden für die Erwachsenen seines Umfelds.
Roter Faden des Stücks ist die Gottfindung des Jungen, der bisher nur den Weihnachtsmann kannte. Oma Rosa hatte dem Jungen empfohlen, jeden Tag einen Brief an den lieben Gott zu schreiben. "Lass hier alle Gedanken, die dich runter ziehen aus dir heraus", rät sie. Das macht Viktor und wandelt sich von einem wilden Jungen zu einem weltverstehenden Philosophen, der am Ende des Regenbogens mit sich und der Welt im Reinen ist.Diese Szene und die Schlussszene, Oma Rosa mit brennender Kerze auf der sonst dunklen Bühne, machten das Theaterstück trotz Krankheit, Tod, Generationenkonflikt zu einem positiven, tröstlichen Erlebnis für jeden Zuschauer.
Dieses Erlebnis wurde neben dem couragierten Spiel der 21 jungen Darsteller vor allem auch durch die perfekte Technik der Oberstufentheatertechniker, die geschickt sparsame Bühnenaufmachung und szenische Darstellung des Krankenhausalltags sowie die unauffällige Hintergrundregie von Christoph Althaus trefflich abgerundet. Beim Szenenaufbau stand Dr. Rainer Nelkenstock fachlich beratend zur Seite. "Über das Theaterspiel hinaus hat mir und sicher auch den anderen Akteuren das Stück einiges ins Leben mitgegeben. Es hat Spaß gemacht und war spannend für uns", so Aaron Kinanele. Der Mut von Barbara Libner und Christoph Althaus, sich an solch ein Stück zu wagen, wurde also nicht nur von den Zuschauern belohnt.