Sergej Gaida ist Lkw-Fahrer mit Leib und Seele

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Als 13-Jähriger kam Sergej Gaida aus Kasachstan in die Rhön. Elf Jahre später kauft er seinen ersten Lkw und macht sich selbstständig.Fotos: privat
Als 13-Jähriger kam Sergej Gaida aus Kasachstan in die Rhön. Elf Jahre später kauft er seinen ersten Lkw und macht sich selbstständig.Fotos: privat
 

Für die meisten von uns sind Brummifahrer lästige Zeitgenossen, die mit gefühlten 60 Kilometern pro Stunde die Autobahn entlang kriechen. Für Sergej Gaida sind es Männer mit Herz.

Sergej Gaida hat Europa bereist. Als Fernfahrer. Und wenn er aufzählen soll, wo er schon alles war, nennt er lieber die Länder, wo er noch nicht war, denn diese Liste ist kürzer: Norwegen, Finnland, Estland, Bosnien und Kosovo zum Beispiel fehlen ihm noch, aber er ist ja noch jung mit 33 Jahren. "Lkw Fahren ist mein Traum", sagt er. Schon als kleiner Junge fuhr er bei seinem Vater im Laster mit. Nun sitzt er selbst am Steuer.

Mit 20 Jahren machte Gaida den Lkw-Führerschein. Damals war er noch Pflasterer bei der Firma Väth in Oberbach. "Da habe ich viel gelernt", blickt Gaida zurück. Aber seine Zukunft sah er nicht im Straßenbau, sondern buchstäblich auf der Straße. Als 24-Jähriger kauft er seinen ersten Sattelzug. Mittlerweile hat er elf Fahrzeuge und beschäftigt 13 Mitarbeiter. Ein Großteil seiner Aufträge kommt von der Spedition "Mainfranken Logistik" aus Oberthulba. Es ist eine Erfolgsgeschichte.

"Ich war meine ganze Jugend im Lkw", sagt er und meint damit die ersten sieben Jahre seiner Selbstständigkeit, die er fast nur in der Fahrerkabine saß. "Das war ja deine Wohnung", lacht seine Schwester. Seit ungefähr einem halben Jahr unterstützt Katharina Romeis ihren Bruder im Büro, denn "ihm liegt das Fahren und die Disposition. Aber der Papierkram...".

Katharina Romeis spricht fließend Deutsch. Sie war sechs Jahre alt, als die Familie aus Kasachstan in die Rhön kam. Ihr Bruder war schon 13, er spricht beide Sprachen fließend. Und wenn er ins Russische wechselt, versteht seine Schwester ihn. Aber sie antwortet lieber auf deutsch als auf russisch, auch wenn sie es könnte.

Für den Job ist das von Vorteil. "Mit meinen Kunden in Russland kann ich natürlich gleich russisch sprechen", sagt er. Ein Muss aber sei das nicht, schließlich fahren auch andere Speditionen gen Osten. Trotzdem arbeiten bei Sergej Gaida ausschließlich Fahrer mit russlanddeutschen Hintergrund. Ist das Absicht? "Ich habe kaum deutsche Bewerber", sagt er. Die meisten habe er auf Empfehlung hin eingestellt.

Geburtsort bei Google gesucht

"Als Lkw-Fahrer musst du deine Arbeit lieben. Bei uns gibt es kein Tag und Nacht", sagt der Unternehmer. Manch einer ist zwei Wochen lang unterwegs, bis er wieder zurück in der Heimat ist. Deshalb schaut sich Gaida genau an, wem er seine Fahrzeuge anvertraut. "Ich habe nie einen Lkw gekauft, bevor ich nicht einen guten Fahrer hatte." Viele seiner Fahrer seien schon älter und nie so recht mit der deutschen Sprache warm geworden, erzählt Gaida. Aber da er selbst in Kasachsstan geboren wurde, hat er dafür Verständnis.

Maykain, so heißt der Ort im Nordosten Kasachstans, wo Sergej und Katharina das Licht der Welt erblickten. Erst kürzlich saßen die Geschwister am Computer und suchten bei Google Earth die Stationen ihrer Kindheit. Aufgewachsen waren die beiden bei ihren Großeltern, denn die Eltern mussten arbeiten. Der Vater als Lkw-Fahrer, die Mutter im Schichtdienst als Krankenschwester im OP.

"Es war ein schwieriges Leben", sagt Gaida, "aber ich hatte trotzdem eine schöne Kindheit". Und seine Schwester erzählt, dass die Übersiedlung vor allem der Wunsch des Großvaters war, "weil er Deutschland als sein Heimatland angesehen hat". Obwohl er nie dort war. Denn ursprünglich wuchsen die Großeltern an der Wolga auf. Aber während des zweiten Weltkriegs wurden sie nach Sibirien geschickt. "Meine Großeltern haben sich erst im Arbeitslager kennen gelernt", erzählt Katharina Romeis.

Die Lebenserinnerungen ihres Großvaters trug sie in der Schule vor, als die Klasse gerade das Thema im Unterricht behandelte. Insgesamt aber wüssten sie eigentlich viel zu wenig über die Geschichte, da sind sich die Geschwister einig. Im Sommer hat Romeis einen deutschen Mann geheiratet. "Da war nie die Frage, welche Nationalität er hat", erzählt ihr Bruder. Die Familie ist in einer neuen Zeit angekommen.


Das Unternehmen in Zahlen:

als er sich im Jahr 2004 selbstständig macht. Er nimmt einen Kredit auf und kauft sein erstes Fahrzeug, in dem er zwei Jahre lang quer durch Europa tourt.

2006 stellt Gaida seinen ersten Mitarbeiter ein - und kauft einen zweiten Lkw. 2013 beschäftigt Sergej Gaida 13 Mitarbeiter, die zwei Zwölftonner und neun Sattelzüge steuern.

60 Prozent der Ware, die Gaida nach ganz Europa liefert, sind Kfz-Teile und andere technische Produkte.

3500 Kilometer fährt jedes Fahrzeug im Durchschnitt pro Woche. Rund 40.000 Kilometer fahren alle 11 Lkw zusammen. Das macht pro Monat etwa 160.000 Kilometer. Im Jahr schrubben Gaidas Lkw mehr als zwei Millionen Kilometer.