Wolf in Unterfranken gesichtet: "Niemand muss Angst haben"

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Mit hoher Wahrscheinlichkeit streift wieder ein Wolf durch den Spessart. Symbolfoto: Julian Stratenschulte/dpa
Mit hoher Wahrscheinlichkeit streift wieder ein Wolf durch den Spessart. Symbolfoto: Julian Stratenschulte/dpa

Ein Wolf streift vermutlich durch den Spessart. Experten betonten: "Niemand muss Angst haben."

Direkt an der hessisch-bayerischen Grenze ist vor wenigen Tagen Wolf gesichtet worden. Drei Naturschutzexperten sehen diese Entwicklung gelassen und betonen unisono: Wölfe sind scheu und stellen keine Gefahr für Menschen dar.

Vor 15 Jahren ist der Steinheimer in den unterfränkischen Spessart gezogen. Mit seiner Schäferhündin "Candy" dreht er täglich seine Runde. An diesem Morgen ist er früher dran. "Ich hatte noch einen Arzttermin", sagt der 73-Jährige, der seinen Namen nicht genannt haben möchte. Einen Medienrummel um seine Person möchte er vermeiden. Es ist 6 Uhr an diesem 6. Oktober im beschaulichen Örtchen Mittelsinn (Landkreis Main-Spessart), gerade einmal drei Kilometer von der hessischen Grenze entfernt. "Candy" ist angeleint. Am Ortsausgang schlägt sie plötzlich an, duckt sich weg.


Sicherheit aus der Erfahrung

Dann sieht der 73-Jährige plötzlich, unterhalb der letzten Dorflaterne, das hundeähnliche Tier. "Ich dachte noch: Wer lässt denn so früh hier seinen Hund laufen?" Rund eine Minute besteht Blickkontakt. "Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass es ein Wolf war." Diese Sicherheit bezieht der 73-Jährige auch durch Erfahrungen aus seiner alten Heimat am Main. "Ich war oft mit meinem Sohn in der Fasanerie in Klein-Auheim, dort habe ich die Wölfe oft beobachtet."

"Als ich mit dem Fuß aufstampfte und in die Hände geklatscht habe, drehte der Wolf um." Der sei jedoch nicht Hals über Kopf geflüchtet, sondern sei gemächlich getrabt und schließlich in der Dunkelheit verschwunden - in Richtung Hessen. "Angst hatte ich nicht, warum auch", sagt der Ex-Steinheimer. Nach dem Bekanntwerden der Beobachtung ruft der bundesweit bekannte Wolfsforscher Ulrich Woschikowsky den Rentner an und bezeichnet dessen Schilderung als glaubwürdig. Es ist bereits die dritte Wolfsbeobachtung im angrenzenden Main-Spessart-Kreis. Erst im Juni war dort ein Tier fotografiert und eindeutig als Wolf identifiziert worden.


Vor kurzem Tier im Odenwald gesehen

Für Dr. Marion Ebel, die bekannte Wildbiologin und Wolfsexpertin aus dem Wildpark Alte Fasanerie, ist diese Nachricht keine Überraschung. "Es ist nur eine Frage der Zeit", meint sie zu Wolfssichtungen im Spessart. Sie verweist darauf, dass erst vor wenigen Tagen auch im Odenwald ein Tier gesehen wurde. Im März 2015 war eine Wölfin an der Autobahn 66 zwischen Bad Soden-Salmünster und Gelnhausen-Ost überfahren worden. Wissenschaftler hatten danach festgestellt, dass dieses Tier zur mitteleuropäischen Flachland-Population gehört hat.

"Hessen ist quasi ein Transitland für Wölfe - die Tiere kennen keine Landesgrenzen", meint Ebel. "Es kann durchaus sein, dass einzelne Wölfe umherstreifen. Die sind dann meist auf der Suche nach einem Revier."

Im Spessart, so Ebel, könnte es durchaus ein "schönes Fleckchen geben". Wenn ein Wolf ein solches findet, könne es durchaus sein, dass er "bald sesshaft" werden könne. Vor rund 200 Jahren wurde der letzte freilebende Wolf im Spessart erschossen. Die Schauergeschichten über den "bösen Wolf" sind geblieben. Für Ebel reine Spukgeschichten. "Niemand muss Angst vor einem Wolf haben. Der ist scheu und geht den Menschen lieber aus dem Weg", ist die Wildbiologin überzeugt.

Die gleiche Auffassung hat auch die von der Landesregierung eingesetzte hessische Wolfsbeauftragte Susanne Jokisch vom Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). Es liege in der Natur der Wölfe, Menschen zu vermeiden. "Ein einzelner, wilder Wolf ist ungefährlich", betont Jokisch. "Es muss in das Bewusstsein der Menschen, dass Wölfe wilde Tiere sind."


Wolfsrudel nachgewiesen

In den östlichen Bundesländern wie Sachsen Brandenburg und Sachsen-Anhalt sind derzeit jeweils wieder zehn und mehr Wolfsrudel nachgewiesen, die Familienverbände, in denen Wölfe leben. Aber auch im Norden, in Niedersachsen sind mittlerweile mindestens neun Wolfsfamilien bekannt.

Daher hat das Land bereits vor zwei Jahren einen Wolfs-Managementplan aufgestellt. Dazu gehören an erster Stelle die recht eindeutigen Verhaltensregeln für die Menschen. Diese zielen darauf ab, den Wolf keinesfalls zu domestizieren.

Ebenso zählt dazu die Beratung von Tierhaltern, denn Ziegen oder Schafe seien eher die Beute der Raubtiere. Auch im Main-Kinzig-Kreis gibt es bereits vier Helfer, die fachkundig sind. Sogar eine hessische Wolfshotline steht zur Verfügung. Thorsten Becker


Beobachtungen in Hessen


Nach Angaben der hessischen Wolfsbeauftragten Susanne Jokisch gibt es seit 2011 insgesamt neun Nachweise für einzelne Wölfe in Hessen. Die jüngsten Beobachtungen:

2017: Bei Wald-Michelbach im Odenwald ist ein Wolf fotografiert worden. Zuvor wurden zwei Wölfe in Nordhessen gesichtet.

2016: Bei Marburg wird ein toter Wolf gefunden.

2015: Erstmals seit über 200 Jahren wird ein Wolf in der Region zwischen Hanau und Schlüchtern entdeckt. Die "Spessartwölfin" lag tot an der Autobahn 66 bei Bad Soden-Salmüster. Ein anderes Tier wird am Preungesheimer Dreieck in Frankfurt überfahren. thb