Beim ersten Jahreszeiten-Konzert des Bad Brückenauer Kammerorchesters spielte der Bratschist Gunter Teuffel zwei Kompositionen für die Viola d'amore. Das 14-saitige Instrument erlebt derzeit eine kleine Renaissance.
Den vier Elementen widmen Johannes Moesus und sein Bayerisches Kammerorchester (BKO) Bad Brückenau in diesem Jahr ihre vier Jahreszeitenkonzerte: Luft, Wasser, Feuer, Erde. Und es wird sogar noch ein fünftes Konzert geben: "Das fünfte Element" ist es überschrieben. Wenn es am 11. November gespielt würde, könnte man vielleicht ahnen, was damit gemeint ist. Aber es findet erst vier Tage später statt. Wir werden uns mit der Erhellung gedulden müssen.
Auf jeden Fall wird es etwas sein, das nicht in den Noten stehe. Jetzt also, im Gewande des Neujahrskonzerts, die Luft. Da gibt alleine schon die Literatur für Streicher eine ganze Menge Bekanntes her. Aber es ist höchst verdienstvoll, dass Moesus bei der Auswahl nicht auf die Chartliste achtete, sondern, wie man das bei den Brückenauern mittlerweile schon gewohnt ist und schätzt, auf Werke, die weitgehend oder vollkommen unbekannt sind - oder die in ungewöhnlicher Weise bearbeitet sind.
Etwa Henry Purcells Schauspielmusik zu William Shakespeares "Sommernachtstraum", in dem es von Luftgeistern und Elfen nur so wimmelt, auch wenn es einige handfeste Menschen gibt. Sie ist ein Werk, dessen Titel bekannter ist als die Musik. Nur "Dance of the Fairies" wird immer mal aufgeführt. Dass das schade ist, machten die Brückenauer mit neun weiteren Sätzen deutlich. Und es war nicht nur die Komposition, die beeindruckte, sondern auch die Spielweise.
Filigran und doch lebhaft Denn es wurde deutlich, wie gut auch ein modernes Orchester mit modernen Instrumenten, Bögen und Saiten die klangliche Atmosphäre der Spätrenaissance und des Frühbarocks gestalten kann, wenn es sich darauf einlässt. Wenn man ein vibrato armes Messa di voce spielt, ein An- und Abschwellen längerer Töne, das eigentlich aus dem Gesang kommt, aber auch Instrumentalmusik zum Singen bringen kann. Oder wenn man so filigran und doch so lebhaft spielt wie die Brückenauer und mit viel Gespür für die Geschichte hinter den Noten. Da war sehr viel virtuose Leichtigkeit auf einem guten Bassfundament. Aber da durften in den etwas deftigeren Hornpipes auch schon mal die Bratschen in die harmonische Wohlgeordnetheit hineingrätschen.
Nicht laut, sondern markant Umgekehrt war Christoph Willibald Glucks "Reigen seliger Geister" schon nach der Uraufführung seiner Oper "Orfeo ed Euridice" 1762 in Wien ein Gassenhauer, und er ist es bis heute geblieben. Allerdings war die Besetzung überraschend. Gluck hat sich nicht auf ein bestimmtes Soloinstrument festgelegt, und meistens kommt die Flöte zum Einsatz.
Im König-Ludwig-I.-Saal war es eine Viola d'amore, ein bratschenähnliches Instrument mit sieben Melodie- und sieben Resonanzsaiten, das natürlich stärker in den Tuttiklang der Streicher eintaucht als die Flöte - das Klangbild wird homogener. Gunter Teuffel, der den Solopart übernommen hatte, machte aus dieser Solistennot eine Tugend: Er spielte die virtuosen Verzierungen seiner Stimme nicht besonders laut, sondern besonders markant und wahrte so den Gesamteindruck des Schwebenden. Klanglich stärker geerdet war das andere Werk mit Viola d'amore, emporgehoben aus dem tiefsten Schattenreich des Repertoires: die Sonata da chiesa, die der Schweizer Frank Martin in dieser Version 1952 herausgebracht hat. Ein Werk, das seinen Titel nicht von der frühbarocken Vorlage herleitet, sondern eher von seinem spirituellen Gehalt, den der Beginn der Musik vermittelt. Da entstanden faszinierende Klangfarben in den Reibungen zwischen Solist und Orchester, die zunächst keine thematische Verdingung haben, sondern den Solisten geradezu meditativ-improvisatorisch isolieren vor einem seufzenden Hintergrund.
Die Musik gewinnt durchaus kräftigere Konturen, etwa in der Musette, einem Tanz, aber sie kehrt wieder zum Ausgangspunkt zurück, entschwindet in einer aufsteigenden Linie, wie das Bild einer Himmelfahrt oder eines Gebetes.
Sensibel musiziert Das war außerordentlich sensibel musiziert in einer ausgezeichneten Abstimmung zwischen Solist und Orchester. Aber man fragte sich, wie Paul Hindemith, dessen Viola d'amore Gunter Teuffel spielt, dieses Werk musiziert hätte - oder vielleicht sogar hat. Denn manches hätte man sich expressiver, weniger defensiv gewünscht. Der Name des Instruments ist ja kein Zufall, und Liebe hat ja immer auch etwas mit Werbung, sogar mit Zudringlichkeit zu tun.
Virtuoser Kontrabass Der zweite Teil des Konzerts gehörte der weltlichen Luft. Da war die virtuose Unterhaltsamkeit gefragt. Und die wurde reichlich geboten mit Gioacchino Rossinis 6. Streichersonate, der der furiose Schlusssatz den Beinamen "La Tempesta" oder "Der Sturm" eingebracht hat. Das konnte der Kontrabass endlich einmal zeigen, zu welcher Virtuosität er fähig ist. Und Katrin Triquart nutzte diese Gelegenheit mit unaufdringlicher Präsenz und unaufgeregter Virtuosität. Und mit einem in der Tiefe wunderbar sonoren Instrument.
Ermanno Wolf-Ferraris Streicherserenade Es-dur, ein frühes Werk, passte schon deshalb zum Konzertthema, weil im ersten Satz ziemlich viel Luft drin ist, weil er sehr viele Wiederholungen bringt. Johannes Moesus und seine Leute überdeckten das etwas durch eine agogisch starke Wiedergabe mit vielen Differenzierungen. Von dieser Spielweise profitierten natürlich die anderen Sätze, insbesondere der zweite Satz, ein echter Variationensatz.
Historisch interessant Aber trotz aller Unterhaltsamkeit wurde auch deutlich, dass der damals 18-jährige Wolf-Ferrari sich stilistisch noch in einer Welt bewegte, die zu Ende ging. So gesehen war die Aufführung auch historisch interessant, weil der junge Mann durchaus erfolgreich die Konsequenzen gezogen hat.
Die Zugabe war keine Überraschung: Das Playful Pizzicato aus Benjamin Brittens Simple Symphony.