Eine Rechtsmedizinerin schildert die Verletzungen des bei einer Automaten-Sprengung tötlich verletzten Zeitlofsers. Für die Anklage wegen Mordes hat das möglicherweise Konsequenzen.
Die Anklage wegen vollendeten Mordes gegen die beiden 35 und 52 Jahre alten Männer aus Schlüchtern, denen vor dem Landgericht Hanau weiterhin auch die Sprengung eines Fahrkartenautomaten zur Last gelegt wird, könnte möglicherweise vom Tisch sein.
Am Montag legte die Frankfurter Rechtsmedizinerin Dr. Hannelore Held, die den bei der Sprengaktion schwer verletzten und später gestorbenen, mutmaßlichen Komplizen der beiden Schlüchterner auch obduziert hatte, ihr Gutachten vor. Danach wäre der aus Zeitlofs stammende Getötete "mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch bei einem schnelleren Rettungsversuch gestorben."
Die Hauptfrage stellte sich für den Vorsitzenden Richter Peter Grasmück nach der eigentlichen Todesursache des 47-jährigen Zeitlofers.
Diese konnte die Gerichtsmedizinerin eindeutig bestimmen: Tod durch schwere Gehirneinblutungen und daraus entstehendem, erhöhtem Hirndruck infolge eines Schädelbruchs, der sich von der Stirn bis hinab zur Schädelbasis zog, sowie einer Verschiebung der Hirnachse und teilweises Einquetschen des Gehirns in den Spinalgang.
Innere Verletzungen waren massiv Äußerlich waren auf den Aufnahmen des Toten, die im Gerichtssaal per Videobildschirm eingespielt wurden, lediglich eine rund zehn Zentimeter lange Quetsch-Risswunde an der Stirn, mehrere kleinere Wunden am Hinterkopf sowie an Armen und Beinen zu erkennen. Allerdings rührten alle Verletzungen laut Held von einer "massiven, stumpfen Gewalteinwirkung" her. Die Frontplatte des Fahrkartenautomaten könnte, als sie explodierte und den Mann auch zu Boden warf, sie ausgelöst haben.
Die Frage, ob sich nach der Explosion möglicherweise noch eine Auseinandersetzung zwischen den drei Tatbeteiligten ergeben hatte, welche zu den Verletzungen führte, konnte nicht eindeutig geklärt werden, erscheint jedoch nach den Aussagen und dem Befund eher unwahrscheinlich. Viel wichtiger schätzte das Gericht allerdings die Bewertung der Gutachterin ein, was die Frage des Todeszeitpunkts und einer möglichen Überlebenschance des 47-Jährigen anbelangt, wäre er früher in ein Krankenhaus eingeliefert worden.
Hier kam Held zu der Auffassung, dass auch bei einem schnellen Transport, etwa in die Uniklinik nach Würzburg, im besten Falle eineinhalb Stunden verstrichen wären vom Eintreffen der Rettungskräfte, der Sicherung des Verletzten, dem Transport und der Erstdiagnose in der Klinik, bis zur - möglicherweise - rettenden Gehirnoperation.
Den Blutverlust des Opfers bewertete die Gutachterin nicht unbedingt als wesentlich für die Todesursache. Am Ende der Verhandlung deutete Grasmück bereits die vorläufige Bewertung des Gutachtens durch das Gericht an, indem er die rechtlichen Hinweise gab, dass auch eine Verurteilung hinsichtlich des Tötungsdelikts wegen versuchten Mordes, Aussetzung oder unterlassener Hilfeleistung in Frage komme.
Prozess wird am 9. Juli fortgesetzt Ein weiteres Gutachten, die Expertise des forensischen Psychologen Dr. Volker Hofstetter, trug dagegen wenig zur Entlastung der Angeklagten bei. Zum Zeitpunkt der Tatausführung sei keiner von beiden im Zustand einer "tief greifenden Bewusstseinsstörung" gewesen, wie es die Verteidiger gerne gesehen hätten. Trotz jeweils vorhandener Neigung zu Drogen hätten beide mutmaßlichen Täter zu jedem Zeitpunkt gewusst, was sie tun.
Ihr Motiv sei "Bereicherung" gewesen, und trotz einer gewissen "Panik" wegen der schiefgegangenen Automatensprengung sah Hofstetter keinerlei Gründe, die auf eine verminderte Schuldfähigkeit schließen ließen.
Im Psychogramm des leitenden Abteilungsarztes der Klinik für forensische Psychiatrie im nordhessischen Haina erscheint der jüngere Angeklagte als der "eher aktive", der 52-jährige Mitangeklagte "eher als Mitläufer".
Der Prozess wird am 9. Juli, 13.30 Uhr, vor dem Landgericht Hanau fortgesetzt. Die Beweisaufnahme wird dann beendet sein, Staatsanwalt und Verteidiger werden ihre Plädoyers halten.