Für Strom reichte das Geld nicht

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Kindheit 1967 in Schönderling. Das Foto entstand in der heutigen Straße "Am Steg", die damals nur "Gasse" genannt wurde. Foto: Sammlung Jürgen Lieb
Kindheit 1967 in Schönderling. Das Foto entstand in der heutigen Straße "Am Steg", die damals nur "Gasse" genannt wurde.  Foto: Sammlung Jürgen Lieb
Martin Müller aus Schmittrain hat die wichtigste Zahl des Jahres mit der Motorsäge gefertigt und der Gemeinde geschenkt. Foto: Beatrix Lieb
Martin Müller aus Schmittrain hat die wichtigste Zahl des Jahres mit der Motorsäge gefertigt und der Gemeinde geschenkt. Foto: Beatrix Lieb
 
Die historische Ansichtskarte zeigt, wie es 1914 in Schönderling an einigen Ecken ausgesehen hat. Foto: Sammlung Jürgen Lieb
Die historische Ansichtskarte zeigt, wie es 1914 in Schönderling an einigen Ecken ausgesehen hat. Foto: Sammlung Jürgen Lieb
 

Die ganze Dorfgemeinschaft feiert in diesem Jahr den 700. Geburtstag von Schönderling. Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten steht das dreitägige Dorffest.

Mit einer Glühwein-Party am Dorfplatz für die ganze Dorfgemeinschaft hat Schönderling in der Silvesternacht das Jahr 2017 begrüßt, denn dieses neue Jahr ist ein ganz besonderes: Das Dorf feiert heuer seinen 700. Geburtstag. Die Vorbereitungen für das Fest sind schon längst angelaufen, vom 1. bis 3. Juli 2017 freuen sich die Schönderlinger auf viele Gäste. "Natürlich sind alle Ehemaligen herzlich willkommen oder solche, die Kindheitserinnerungen mit Schönderling verbinden", ist es den Organisatoren wichtig, ihren Heimatort so zu präsentieren, wie er sich heute zeigt.

So können sich die Festbesucher auf viele Aktivitäten freuen: "Wir haben viele Vereine, und jeder hat sich etwas ausgedacht." So übernimmt die Jugendgruppe beispielsweise das Rahmenprogramm für die jüngeren Besucher. Ein Kran wird die Gäste in schwindelnde Höhen hieven und so einen außergewöhnlichen Blick auf Schönderling ermöglichen. Besonderer Höhepunkt wird ein professionelles Feuerwerk, das die Schönderlinger von einem Gönner spendiert bekommen.


Viele Blicke in die Geschichte

Und auch die historische Seite wird nicht zu kurz kommen. Geplant ist eine Ausstellung mit altem Bildmaterial und Gegenständen aus vergangenen Zeiten, auch die Landwirtschaft wird sich diesem Thema widmen. Doch nicht nur im Ort wird Leben sein: "Schönderling liegt - und das wissen viele gar nicht - am Rande eines großen Waldgebietes, von wo aus sich dem Betrachter ein einzigartiger Blick auf die Rhön eröffnet!" So wollen die Verantwortlichen Führungen durch und um Schönderling anbieten. "Ziel ist es, auch über das Fest hinaus Besuchergruppen nach Schönderling einzuladen", wird die 2. Bürgermeisterin nicht müde, Werbung zu machen. "Gerade für Wandergruppen und Naturinteressierte haben wir so manches Kleinod, so manche Attraktion zu bieten!" Mit extra für das große Fest angefertigten Metallschildern soll auf einige historische Besonderheiten aufmerksam gemacht werden. Wie viele Ortschaften in der Rhön, hat sich auch Schönderling besonders in den letzten 80 Jahren stark gewandelt. Die älteren Einwohner erinnern sich noch sehr gut an die schlimmste Zeit des vergangenen Jahrhunderts. "Ich kam 1944 in die Schule", sagt Erhard Schuhmann. Damals war er noch nicht einmal sechs Jahre alt, "allerdings war die 1. Klasse nicht sehr anstrengend, denn schon bald fiel der Unterricht aufgrund der Kriegswirren aus".


Als die Amerikaner kamen

Gut erinnert sich der "Ur-Schönderlinger" und ehemalige Dorfschreiner, der all sein Arbeits- und Privatleben in seinem Geburtsort verbracht hat, noch daran, wie die Amerikaner mit dem Panzer in Schönderling einfuhren: "Für uns Kinder war das etwas Unglaubliches!" Fließendes Wasser und Strom gab es zwar bereits, wurde aber kaum genutzt: "Wenn die dörfliche Dreschmaschine in Betrieb war, durften die anderen Dorfbewohner keinen Strom verbrauchen, das hätte das Stromnetz nicht verkraftet", muss er heute darüber schmunzeln. "Die Leute hatten ja auch gar kein Geld, um Strom zu verbrauchen", erinnert sich auch seine Ehefrau Irene, auch eine Schönderlingerin, an karge und arme Zeiten. Auch mit der Wasserleitung war das so eine Sache: "Bei Trockenheit kamen aus dem Wasserhahn nur ein paar Tropfen!" Doch nach dem Krieg ging es bergauf.


Komplette Infrastruktur

In "Glanzzeiten" gab es in der Gemeinde zwei Wirtschaften, zwei Lebensmittelläden, Bäckerei, eine Tankstelle, eine eigene Poststelle und eine Telefonzelle. Ein kleines Taxiunternehmen kutschierte die Schönderlinger.
Die 1932 errichtete St.-Josef-Kirche platzte beim Sonntagsgottesdienst aus allen Nähten, eine eigene Grundschule ersparte den Kindern lange Schulwege. Ein eigener Bürgermeister und logischerweise eine eigene Gemeindeverwaltung mit einer Angestellten rundeten das Bild ab. Heimische Unternehmen wie zwei Dorfschreinereien, ein Elektrogeschäft und ein Spenglergeschäft, zwei Dorfschmieden, um nur einige zu nennen, erledigten alle anfallenden Arbeiten vor Ort. Heute ist das alles längst Geschichte, nur ein Elektrogeschäft und ein Metall verarbeitender Betrieb im Aufbau sowie einige Landwirte gibt es noch, dazu eine physiotherapeutische Praxis. Dennoch haben die Schönderlinger sich ein großes Stück Dorfleben bewahrt.