Heute vor 99 Jahren starben viele Männer aus der Rhön, unter ihnen Anton Ziegler, im Gefecht gegen Frankreich.
Wenn... ja, wenn dieser verdammte Krieg nicht gewesen wäre, dann wäre das Leben von so vielen jungen, lebensfrohen und gesunden Männern aus der Rhön anders verlaufen - und vor allem länger gewesen. So erging es auch Anton Ziegler, dessen Leben unter einem guten Stern stand. Sein Vater, Ludwig Ziegler, war lange Jahre Bürgermeister von Oberbach, die Familie besaß die gut gehende Gastwirtschaft "Zum Stern" und der junge Anton als Erstgeborener hätte bald in die Fußstapfen seines Vaters treten können. Wie er war auch Anton bereits als Gastwirt und Metzger tätig und hatte den Gasthof "Zum Hirschen" angepachtet.
Aber - die Geschichte lehrt es - es sollte anders kommen. Im Rahmen früherer Nachforschungen über die Familie Lieb aus Oberbach (Hausname "Gloseris") stieß Jürgen Lieb aus Schönderling auch auf die Lebensgeschichte seines Ur-Urgroßvaters.
Es war an einem Montag Dramatisches ereignete sich heute vor genau 99 Jahren, wovon die Kriegsakten des 4. bayerischen Reserve-Infanterieregiments für den Montag, 28. Februar 1916 berichten: Um drei Uhr nachmittags sprangen die Angriffswellen der bayerischen Reserve-Infanterieregimenter 4 und 15 aus den schützenden Waldrändern über die ziemlich deckungslose, vom Feind völlig einsehende und beherrschte Ebene gegen die Höhen zwischen Ronvaux und Haudiomont vor. Starkes frontales und flankierendes Schützen- und Maschinengewehrfeuer schlug den Angreifern von einem Bahndamm entgegen. Mit gewohnter Meisterschaft aufgestellte französische Flankierungsbatterien und Geschütze hielten die Schützenlinien unter verderblichem Kreuzfeuer. Unter empfindlichen Verlusten arbeiteten sich die Regimenter langsam auf etwa 300 Meter an den Bahndamm heran.
Ausgebaute Stützpunkte Je näher sie kamen, desto mehr erwiesen sich die Orte Ronvaux und Haudiomont als stark besetzte, seit langer Zeit sorgfältig ausgebaute Stützpunkte, deren Zerstörung und Niederhaltung der eigenen Artillerie hauptsächlich mangels geeigneter Beobachtungsstellen nicht gelungen war. Zwischen 5 und 6 Uhr nachmittags war der Angreifer endgültig zu Boden gezwungen...
Mit dabei bei diesem Angriff war auch der 33-jährige Ersatz-Reservist Anton Ziegler aus Oberbach, der als erstes Kind der Eheleute Ludwig und Maria Ziegler (geb. Lieb), am 7.9.1882 geboren wurde. Am 6.11.1909 heiratete er Klara Kleinhenz. Wäre der Krieg, wie allgemein erwartet wurde, an Weihnachten 1914 beendet worden, wären die bayerischen Truppen längst wieder in ihre Kasernen eingerückt. Doch im Frühjahr 1915 mussten bereits verstärkt Reservisten auch der mittleren Jahrgänge eingezogen werden.
Nach den Angaben der Kriegsstammrolle wurde Anton am 6. März 1915 als Reservist nach Bamberg zum 4. Bayerischen Reserve-Infanterieregiment einberufen. Nach der Grundausbildung ging es an die Westfront gegen Frankreich. Er nahm dort erstmals an den Kämpfen zwischen Maas und Mosel ab dem 18. Juli bis zum 10. Dezember 1915 teil. In der Zeit von 11. Dezember 1915 bis zum 23. Februar 1916 gab es einen Etappenaufenthalt als Heeresreserve in Lothringen, bevor die Einheit am 26. Februar erneut zum Gefecht bei Ville au Woevre eingesetzt wurde.
An jenem verhängnisvollen 28. Februar stürmte auch Anton Ziegler mit seinen Kameraden auf die französischen Linien zu - er starb fern der Heimat, fern der Rhön, fern seiner Familie, durch einen Kopfschuss auf einem Acker in Frankreich. Übrig blieben einige Fotografien, die Taschenuhr und ein persönlicher Bierkrug des Gefallenen.
Zufällige Begegnung Eher zufällig ergab es sich, dass Jürgen Lieb 2005 im Rahmen eines Kurzurlaubes im Saarland einen Abstecher in Richtung Verdun machte, in der vagen Hoffnung, irgendwo eine Spur seines Vorfahren zu entdecken. "Es war am 1. Mai, meine Frau und ich liefen bei strahlendem Sonnenschein und vorsommerlicher Hitze einige Soldatenfriedhöfe vor Verdun ab, Grab für Grab, Reihe um Reihe!". Zwar gab es eine ungefähre Angabe anhand eines Sterbebildes, doch angesichts dieser unzähligen weißen Kreuze schien es beinahe unmöglich, auf einem davon den Namen "Anton Ziegler" zu finden.
"Nach dem beeindruckenden Besuch der riesigen Gedenkstätte in Verdun waren wir schon auf der Rückfahrt, als wir an dem Schild des Soldatenfriedhofs von Hautecourt vorbeikamen!" Einen letzten Versuch starteten die beiden noch, wieder liefen sie durch den Friedhof. Dann - im Hinausgehen - fiel Liebs Blick auf eine Wand, in die ebenfalls unzählige Namen von Kriegsopfern für ein Sammelgrab eingraviert waren. "Erfreulicherweise diesmal alphabetisch", erinnert er sich. "Ich traute meinen Augen kaum", war er überrascht und glücklich zugleich, doch noch eine letzte Spur dieses jungen Soldaten gefunden zu haben. Nun liegt die Fotografie dieser Tafel in seinem Archiv neben dem Bierkrug, der Taschenuhr und dem Sterbebildchen, das später in Oberbach für den Gefallenen gedruckt und verteilt worden war. Jürgen Lieb interessiert sich sehr für die Geschehnisse der beiden Weltkriege: "Die Auswirkungen haben jedes einzelne Menschenleben auf immer geprägt!"