Dieser Mann ist ein wandelndes Lexikon, wenn es um Rhöner Dialekt und Brauchtum geht: Am 20. April feiert der Brückenauer Walter Schöpfner 85. Geburtstag
Wenn das Gespräch auf Walter Schöpfner kommt, ist noch heute schnell vom "singenden Taxifahrer" die Rede. "Das mag ich schon gar nicht mehr hören", meint der Senior mit einem Schmunzeln. Er weiß aber ganz genau, dass dieses Attribut zu ihm gehört wie das Wasser zur Sinn, die durch seine Heimatstadt fließt. Denn schließlich haben Autos und Gesang große Teile seines Lebens bestimmt.
Die Kindheit verbrachte das Bad Brückenauer Urgestein in der Altstadt, "wo damals noch das Leben pulsierte". Schon früh kam dem Schüler seine ausgeprägte Kontaktfreudigkeit zugute, viele Freundschaften aus der Vergangenheit haben noch heute Bestand.
Nach dem Erwerb des Führerscheins im Jahre 1951 setzte sich Schöpfner, dessen Vater ein Taxi- und Busunternehmen betrieb, selbst ans Steuer. So manche prominente Persönlichkeit chauffierte er bei Ausflügen durch die Rhön oder zum Frankfurter Flughafen.
Die beruflichen Stationen des Einzelhandelskaufmanns und Hobbykochs gestalteten sich durchaus abwechslungsreich. Ob nun als Selbstständiger hinter der Theke seines Lebensmittelgeschäfts, als Gastronom in der Küche des "Rhönstübchens" oder ab 1972 als Betreiber der Kurpension "Margarete" im Staatsbad, alle Tätigkeiten übte er mit viel Herzblut aus. "Ohne meine liebe Margot wäre das alles nicht möglich gewesen", schaut der Jubilar dankbar seine Ehefrau an. Bereits seit 1958 sind die Schöpfners verheiratet.
Einen gesunden Ausgleich zu der nicht immer einfachen Arbeit fand Schöpfner in seinem Engagement bei gleich mehreren Vereinen. "Das gemütliche Beisammensein und etliche Feste wären ohne unseren Walter gar nicht denkbar gewesen", hört man immer wieder von alteingesessenen Brückenauern, die sich sehr gut an jene Zeiten erinnern, "als das Zusammengehörigkeitsgefühl noch einen hohen Stellenwert besaß". Mit Spannung und Vorfreude wurden stets die öffentlichen Auftritte des Akteurs erwartet. Mit seiner voluminösen Stimme und dem schier unerschöpflichen Repertoire an Liedern ganz unterschiedlicher Stilrichtungen brachte er regelmäßig den Saal zum Beben. Sein Können blieb auch den Verantwortlichen beim Rundfunk nicht verborgen, etliche Radiosendungen machten den Rhöner weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus bekannt. Dazu kamen eindrucksvolle Aufnahmen auf Tonträgern, die von seinen Bewunderern auch heute noch gern hervorgeholt und abgespielt werden.
Aber nicht nur als Sänger, sondern auch als Rezitator hat sich der Jubilar einen Namen gemacht. Es ist immer wieder ein Erlebnis, wenn der Senior im kleinen Kreis oder vor größerem Publikum Gedichte in Mundart vorträgt und alte Anekdoten aus der eigenen Lebensgeschichte zum Besten gibt. Dann herrscht bis zur gelungenen Pointe absolute Stille, ehe die Zuhörer in lautes Lachen ausbrechen und stürmisch applaudieren.
"Natürlich wünscht man sich in meinem Alter in erster Linie Gesundheit", sagt Schöpfner kurz vor seinem 85. Geburtstag. Dennoch gibt es noch ein paar andere Dinge, die ihm am Herzen liegen. So müsse nach seinen Worten wieder mehr Wert auf die Pflege des Brauchtums und den Erhalt historischer Hinterlassenschaften gelegt werden. Den Grundstein dafür hat er schon lange mit einem riesigen privaten Archiv gelegt, das er seit vielen Jahren im stillen Kämmerlein regelmäßig hegt und pflegt: "Manchmal bin ich selbst überrascht, was sich da schon alles angesammelt hat". Aber weggeworfen wird nichts, "dafür ist die Erinnerung ein viel zu wertvolles Gut".