Die Bundeswehr-Schlagbäume waren zu den vergessenen Friedhöfen am Pfingstsonntag geöffnet. Adolf Kreuzpaintner hat ehrenamtlich deren Pflege übernommen.
Seit 47 Jahren ist Adolf Kreuzpaintner Wildfleckener, zuerst war er beruflich der Bundeswehr verpflichtet, dann hat er ehrenamtlich die Pflege von fast vergessenen Friedhöfen übernommen.
"Wildflecken war ein offenes Tor für mein Geschichtshobby": Die abgesiedelten Orte haben es ihm angetan. Wann immer der Truppenübungsplatz seine Schlagbäume für Besucher öffnet, nutzt Kreuzpaintner die Gelegenheit, um den direkten Kontakt zu ehemaligen Bewohnern und deren Nachkommen zu suchen: "Das Wissen habe ich aus erster Hand", ist der 81-Jährige froh, Daten und Namen aus den ehemaligen Orten hinter den militärischen Grenzzäunen aktuell erhalten zu können.
Bitte von ehemaligen Bewohnern
Seit 1978 betreut Adolf Kreuzpaintner mit der Reservistenkameradschaft Wildflecken den Friedhof in Reußendorf, 1994 kam der Altglashüttener Friedhof hinzu. Schön anzusehen sollten sie sein, doch hatten die vielen Jahre die Friedhöfe verwildern lassen. Manche ehemaligen Bewohner hatten Eisenkreuze mitgenommen, als sie ausgesiedelt worden waren, Frost hatte so manchen Grabstein zugesetzt, auch Schussnarben waren zu sehen. Hinzu kam die Bitte von ehemaligen Bewohnern an Adolf Kreuzpaintner, "einen Ort zu schaffen, wo wir gedenken können".
An den Orten, wo die alten Friedhöfe zwischen den Dörfern gelegen waren, können an drei Terminen im Jahr die ehemaligen Dorfbewohner und ihre Nachkommen zusammenkommen, so auch diesen Pfingstsonntag.
Viel hat Kreuzpaintner auf den Friedhöfen repariert, ausgebessert und umarrangiert - den "Friedhöfen ihr heutiges Gesicht gegeben". Im unteren Teil des Altglashüttener Friedhofs finden sich heute die alten Grabsteine derer, die noch in Altglashütten verstorben und beerdigt worden waren. Oberhalb haben einige Nachkommen Gedenksteine ihrer Vorfahren, die einst in den neuen Orten beerdigt worden waren, in die alte Heimat versetzen lassen. Nicht so Elisabeth Lamatsch. Sie besuchte das Grab ihrer Stiefschwester in Reußendorf und zündete eine Kerze an. Ihr Vater hatte die Erinnerung an seine erste und noch in Reußendorf verstorbene Tochter aufrecht erhalten und weitergegeben. Lamatsch hatte ihre Stiefschwester nie kennengelernt, doch seit es die Möglichkeit gibt, nämlich seit 1979, nahmen sie und ihr Mann immer mal wieder die Gelegenheit wahr und besuchen das Grab.
Noch in Reußendorf geboren
Ebenfalls seit 1979 kommt Thomas Helfrich zum Reußendorfer Friedhof. Er ist einer der letzten, die in Reußendorf geboren wurden. Die junge Familie wurde noch 1952 ausgesiedelt. Der Wildfleckener nutzt jede Gelegenheit, sein Herkunftsgebiet besser kennenzulernen. Sei es bei den Volkswandertagen oder den Friedhofsbegehungen, Helfrich trifft "nette alte Bekannte aus Silberhof, Altglashütten oder Reußendorf, von denen ich mir alles zeigen und erklären lasse". Die Besuche beim Reußendorfer Friedhof sind für ihn mittlerweile "wie Familientreffen".
Ein schöner Tag war es für Adolf Kreuzpaintner, und für die über 100 Besucher, teilweise waren schon die Enkel der ehemaligen Bewohner dabei. So mancher holt sich die "wahren echten Geschichten" hier "aus erster Hand, nicht aus dem Geschichtsbuch". Wenn ehemalige Bewohner auch noch alte Bilder mitbringen, wird die Geschichte wieder lebendig.
blm
Hintergrund
Altglashütten und Reußendorf: 1603 wird im Tal der Kleinen Sinn eine Glashütte errichtet. Um sie von der späteren zu unterscheiden (Neuglashütten), nennt man sie Altglashütten. 1679 wird erstmals ein Reußenhof erwähnt, das ebenfalls auf eine Glashütte zurückführt. Ab 1687 siedeln sich dort Oberbacher Bürger an, die Siedlung heißt nun Reußendorf. 1938 werden Reußendorf, Altglashütten sowie Neuglashütten, Dörrenberg, Silberhof, Rothenrain, Werberg, Kippelbach und Dalherda abgesiedelt. Bis spätestens zum 1. Mai 1938 hatten 2562 Menschen ihre Heimatdörfer verlassen müssen. Reußendorf wird kurz darauf von Arbeitern und Angestellten der Kommandantur und Standortverwaltung der Deutschen Wehrmacht wiederbesiedelt, hauptsächlich von Bewohnern der abgesiedelten Orte. 1951 kommen die US-Amerikaner nach Wildflecken, Reußendorf wird 1952 endgültig abgesiedelt.
Quelle: "Unvergessene Heimat rund um´s Dammersfeld"