Der Besuch in der Partnerstadt Kirkham zeigt die Zerrissenheit eines Landes, das nur zur Hälfte den Ausstieg aus der EU will. Die Freundschaft aber bleibt.
Nach 20 Stunden im Bus und auf der Fähre erreichte die Reisegruppe aus der Rhön schließlich die englische Partnerstadt Kirkham. Grund für die Verzögerung von mehr als zwei Stunden waren vollgestopfte Autobahnen. In England ist am Montag Feiertag und viele nutzten die Chance, den Großraum London in Richtung Norden zu verlassen. Der Empfang der Gäste war herzlich. In der Aula einer Schule, die an die Harry Potter-Filmer erinnert, begrüßten der stellvertretende Bürgermeister Peter Hardy und Adrian Long, Vorsitzender des Partnerschaftskomitees, die Gruppe.
41 Deutsche und 45 Franzosen besuchten Kirkham - eine enorme Herausforderung für die Gastgeber. "Wir wussten, dass auch Leute aus Bad Brückenau kommen werden", erzählt Long mit typisch britischem Humor. "Wir wussten nur nicht, dass es so viele sein würden." Etliche Unterstützer der Partnerschaft hätten diesmal keine Gäste aufnehmen können, da sie selbst das verlängerte Wochenende für eine Reise nutzten, berichtet er. In seiner Not schrieb Long schließlich auf gut Glück seine Nachbarn an, fragte in einer Pension, ob der Inhaber ein paar Deutsche aufnehmen würde. Und es klappte. Nur wenige Teilnehmer schliefen im Hotel. Den Abend verbrachten sie dennoch bei Gastfamilien zuhause.
Erste Schule geht auf das Jahr 1549 zurück
Kirkham ist eine kleine Stadt mit ungefähr 7100 Einwohnern. Die Textilindustrie - hier findet sich eine Parallele zu Bad Brückenau - ist schon lange kaputt gegangen. Kleine Industriebetriebe, darunter die Keksfabrik "Fox's Biscuits", prägen die Wirtschaft. Die Stadt ist stolz auf ihre Schulen. "Die erste Schule in Kirkham wurde 1549 errichtet", erzählt Peter Hardy. Neben den Grundschulen gebe es auch eine "Secondary School", eine weiterführende Schule also, die von etwa 1200 Schülern besucht werde, berichtet Hardy.
Am Samstag unternahmen Engländer, Franzosen und Deutschen gemeinsam einen Ausflug nach Clitheroe, knapp 50 Kilometer von Kirkham entfernt. Markt und Burg sind die Sehenswürdigkeiten, darüber hinaus laden zahlreiche Läden zu einem Bummel ein. Beim Mittagsessen kam das Gespräch endlich auf den Brexit. "Ich glaube, es gibt eine Menge Leute, die sich abgehängt fühlen, nicht nur bei uns", sagte Nico Long. Der junge Mann kennt den Begriff "Pegida" und erkundigte sich danach, was für ein Image die Kanzlerin in Deutschland habe. Vielen Briten, so sagt er, sei schlicht nicht klar gewesen, was die Europäische Union für das Land tue.
Unterschiedliche Sichtweisen auf den Brexit
"Ich habe mit Sicherheit nicht gewusst, was die EU alles für England bedeutet", sagt Elaina Graham. Sie hat für den Brexit gestimmt und würde es wieder tun. "Veränderung ist gut", sagt sie. Es werde eben ein paar Jahre dauern, bis alle Einzelheiten des Austritts geklärt seien. "Wir haben nur begrenzt Raum und nur begrenzt Arbeitsplätze. Wir sind eine Insel", erklärt sie. Als Geschäftsfrau schätze sie es, wenn das Land eigene Entscheidungen treffen könne - beim Handel, der Landwirtschaft oder der Einwanderungspolitik.
Zurück am Mittagstisch. "Ich hoffe, Sie können den Leuten erklären, dass wir den Brexit ganz schlimm finden", sagt Sue Long unvermittelt, nachdem das Gespräch schon lange beendet ist. Sie sagt es auf deutsch, wechselt dann ins Englische. Je klarer werde, was der Austritt aus der EU bedeute, desto schlimmer empfinde sie die Entwicklung. Die Entscheidung war mit 51,89 Prozent denkbar knapp ausgefallen. In Fylde, dem Verwaltungsbezirk, in dem Kirkham liegt, stimmten 56,96 Prozent für den Austritt.
Sie sei sich unsicher, was das für die Partnerschaft bedeute, sagt Sue Long. Elaine Graham bleibt gelassen. "Der Brexit heißt doch nicht, dass Deutsche nicht mehr nach Großbritannien kommen können", sagt sie überzeugt. "Das wird nie passieren!"