Bad Brückenau
Literatur

Bad Brückenau: Die Lupe auf der Zeitgeschichte

Der gebürtige Bad Brückenauer Josef Krug hat ein Buch mit 15 Erzählungen geschrieben, das den Leser auffordert, sich selbst Gedanken über den Fortgang zu machen .
Sporadisch kommt der gebürtige Bad Brückenauer Josef Krug auch zu Lesungen in seine Heimatstadt. In der Galerie "Form+Farbe" war der Autor beispielsweise im Juli 2016 zu Gast.Brigitta Kempe-Wolf/Archiv
Sporadisch kommt der gebürtige Bad Brückenauer Josef Krug auch zu Lesungen in seine Heimatstadt. In der Galerie "Form+Farbe" war der Autor beispielsweise im Juli 2016 zu Gast.Brigitta Kempe-Wolf/Archiv

Neugierig macht allein schon der ungewöhnliche Titel "Autobahn mit Raubvögeln". Dabei handelt es sich aber weder um einen Abenteuerroman noch um eine biologische Abhandlung. Das neue Buch des gebürtigen Bad Brückenauers Josef Krug ist ein Erzählband mit ganz unterschiedlichen Eindrücken aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.

Der Autor selbst, 1950 in der Rhön geboren, spricht von einem Bilderbogen, einem Mosaik aus Geschichten. Die 15 in sich abgeschlossenen Erzählungen beinhalten jeweils einen gewissen Spannungsbogen, der den Leser teils belustigt, in vielerlei Hinsicht aber auch sehr nachdenklich zurücklässt. Oft hätte man bei den Streiflichtern gern erfahren, wie die ganze Sache weitergeht. Aber gerade diese Ungewissheit scheint vom Verfasser gewollt. So ist jeder, der das Buch in die Hand nimmt, aufgefordert, sich seine eigenen Gedanken zu machen.

Gelegenheit zur Reflexion bietet Krug, der heute in Dortmund lebt, in den einzelnen Kapiteln genug. Und mancher Leser wird durchaus Parallelen zu der eigenen Vergangenheit, zu ganz individuellen Erfahrungen und daraus resultierenden Handlungsweisen erkennen. Denn bei der fiktiven unterfränkischen Kleinstadt Groß-Furnau, die mehrmals in dem 188 Seiten starken Werk Erwähnung findet, handelt es sich zweifellos um Bad Brückenau, den Heimatort des Autors.

Er sieht die Ereignisse in seinem Umfeld zwar mit den Augen eines Kindes oder Jugendlichen, bedient sich bei den Schilderungen aber der Sprache eines Erwachsenen. Dabei kommen dem Leser manche Formulierungen und Vokabeln durchaus altmodisch vor, was aber die Authentizität des Geschilderten nur positiv verstärkt. Wenn beispielsweise das Wort Zigeuner auftaucht, macht das erst einmal stutzig. Aber dieser Begriff war früher eben abseits jeder politischen Korrektheit an der Tagesordnung. Und oft hatte gerade die ländliche Bevölkerung eine besondere Beziehung zum "fahrenden Volk", in der Regel nämlich gar keine.

Ohnehin ist es das Fremde, das sich wie ein roter Faden durch die Erzählungen zieht. Und auch das Unbekannte im Wesen des jungen Josef Krug kommt zum Tragen, wenn der Autor sich völlig neuen Situationen gegenüber gestellt sieht, die er erst einmal nicht nur realisieren, sondern fast im gleichen Atemzug auch verarbeiten muss. Unerwartete Konfrontationen, ob nun in der eigenen Familie, auf der Studentenbude oder bei der Entdeckung der Sexualität bergen Herausforderungen, die nicht immer gleich von heute auf morgen zu bewältigen sind.

Jedes der 15 Kapitel spiegelt auch ein Stück deutsche Geschichte wieder. Manches wird exakt und detailreich formuliert, anderes in der Schwebe gehalten. Da gibt es also keine Patentrezepte zum Umgang mit der Vergangenheit. "Sie sprachen über die Kinderzeit", schreibt Krug in einer Erzählung wörtlich. Und unter diesem Aspekt entsteht ein buntes sowie in einigen Passagen sogar ein eher schwarz-weißes Kaleidoskop eines spannenden Lebensabschnitts. Dazu passen als Illustration sehr gut die Holzschnitte von Horst-Dieter Gölzenleuchter.

Josef Krug: "Autobahn mit Raubvögeln", Erzählungen, 188 Seiten, 12 Euro, ISBN 978-3-945177-76-1 www.freepenverlag.de