Amazon-Ansiedlung in Oerlenbach: DGB attackiert Amazon und Bürgermeister

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Der Versandhändler Amazon lässt im Gewerbepark an der A 71 ein Verteilzentrum errichten.Benedikt Borst
Der Versandhändler Amazon lässt im Gewerbepark an der A 71 ein Verteilzentrum errichten.Benedikt Borst

Die Gewerkschafter prangern die Löhne des Onlinehändlers an und kritisieren Poppenhausens Bürgermeister. Der verteidigt die Ansiedlung.

Die Nachricht, dass sich der Onlineriese Amazon im Gewerbepark Oerlenbach/Poppenhausen an der A 71 niederlässt, hat vergangene Woche für Aufsehen gesorgt - immerhin werden die Orte damit zum ersten Standort des US-Konzerns in Unterfranken. In den Rathäusern von Oerlenbach und Poppenhausen ist die Freude insofern groß, weil die Ansiedlung 120 neue Arbeitsplätze in dem geplanten Verteilzentrum sowie nachgelagert 300 Arbeitsplätze bei Kurierdiensten verspricht. Darüber hinaus hoffen die Kommunen, dass der Name Amazon dafür sorgt, dass weitere Firmen in dem Gewerbegebiet ansässig werden.

Auch von den Lesern der Saale-Zeitung wurde die Nachricht überwiegend positiv aufgenommen, zumindest legen das die Reaktionen auf Facebook nahe. Der Tenor der Kommentatoren: "Sehr schön", und "das bringt Arbeitsplätze".

Niedriglohn, trotz Riesen-Gewinn

Deutlich kritischer verfolgt hingegen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Unterfranken die Ansiedlung. In einem offenen Brief wenden sich Regionengeschäftsführer Frank Firsching sowie Gerhard Klamet, Vorsitzender des DGB-Kreisverbandes Bad Kissingen, an Poppenhausens Bürgermeister Ludwig Nätscher (CSU). Die Gewerkschafter werfen Nätscher vor, ihm fehle "jeglicher Anspruch an die Ausgestaltung der entstehenden Beschäftigungsverhältnisse". Sie kritisieren, der Bürgermeister und der Gemeinderat nähmen es hin, dass Amazon nur den Mindestlohn zahle, "den in Deutschland niedrigsten Lohn [...] , der gerade noch erlaubt ist". Der Konzern habe im vergangenen Jahr 3,3 Milliarden Dollar Gewinn ausgewiesen, gleichzeitig beschäftige er Mitarbeiter mit Löhnen, die so niedrig sind, dass der Staat finanziell einspringen müsse, weil es sonst zum Leben nicht reiche.

Nach einem Rechenbeispiel der Gewerkschafter verdient 2021 ein Logistikmitarbeiter mit 38 Sunden Woche bei einem Mindestlohn von dann 9,50 Euro pro Stunde nicht ganz 1600 Euro brutto im Monat. Als Alleinverdiener mit Partner und Kind sei dieser auf aufstockende Hartz IV Leistungen in Höhe von rund 300 Euro angewiesen. "So gleicht unser Sozialstaat die Armutslöhne des Konzerns Amazon aus", heißt es in dem Brief. Wer sein Leben lang unter solchen Löhnen für Amazon beschäftigt war, habe eine Rente zu erwarten, die unterhalb der Armutsgrenze liege. Firsching und Klamet fordern den CSU-Politiker auf, die Gewerkschaften bei den zu erwartenden Streits mit Amazon für bessere Löhne zu unterstützen.

Knapp über jetzigem Mindestlohn

Der gescholtene Bürgermeister weist die Kritik zurück. Der interkommunale Zweckverband für den Gewerbepark, die Bürgermeister und die Gemeinderäte hätten lange und sorgfältig abgewogen. Er betont, dass beide Gemeinderäte die Ansiedlung einstimmig befürwortet haben. "Dass man es macht, ist richtig", bekräftigt Nätscher.

Er sei in einem Medienbericht zur Gemeinderatssitzung vergangene Woche in Bezug auf die Löhne nicht korrekt wiedergegeben worden. Er habe von Amazon die Information bekommen, dass der Konzern seine Mitarbeiter in Bayern über dem Mindestlohn bezahlt. Der angekündigte Stundenlohn betrage 11,62 Euro. "Amazon hat hier nachgezogen", sagt er.

Grundsätzlich zeigt sich Nätscher offen, Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und Angestellten sowie Gewerkschaften zu begleiten, aber er weist daraufhin, dass ein Lokalpolitiker hier nicht viel ausrichten kann. Zuständig sind dafür Bundes- und Landespolitik.

"Gilt als schwieriger Arbeitgeber"

Sein Oerlenbacher Amtskollege Nico Rogge (CSU) gibt zu Bedenken, dass es auch im Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst Entgeltgruppen gibt, die ähnlich niedrig bezahlt werden. Als ehemaliges Mitglied der Polizeigewerkschaft "bin ich für gute Arbeitsverhältnisse bei einem Arbeitgeber". Als Bürgermeister habe er aber kaum Einfluss auf Amazon, sondern müsse sich darauf verlassen, dass der Konzern sich an die gesetzlichen Vorgaben hält.

Manuela Rottmann (Grüne), Bundestagsabgeordnete aus Hammelburg findet: "Das ist nichts, was die Bürgermeister vor Ort lösen können." Die Bundespolitik könne eingreifen, etwa indem sie den Mindestlohn anhebt. Den hält sie aktuell für zu niedrig. "Wir sind als Grüne der Auffassung, dass die Untergrenze auf zwölf Euro pro Stunde erhöht wird", fordert sie. Den Kommunen rät sie, sich nicht zu abhängig von Großkonzernen zu machen. Gewerbegebiete sollten gut durchmischt sein, es brauche dort gerade auch die standorttreuen, lokalen Handwerker.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar begrüßt es zwar, dass Arbeitsplätze entstehen, aber: "Wir wissen auch, dass Amazon als schwieriger Arbeitgeber gilt, der meist nur den gesetzlichen Mindestlohn bezahlt und regelmäßig versucht, die in unserem Land bewährte Mitbestimmungskultur zu unterdrücken", sagt sie. Sie schließe sich in vollem Umfang den Forderungen der Gewerkschaften an.

Bad Kissingens Wahlkreisabgeordnete und Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär (CSU), sieht in der Ansiedlung eine gute Nachricht. Auf die Frage, ob sie sich für bessere Lohnbedingungen einsetzt, antwortet sie ausweichend, dass das Unternehmen sich an bestehende Gesetze zu halten habe. "Faire Arbeits- und Lohnbedingungen müssen auch im Interesse von Amazon sein", sagt Bär.