An der Saale wurden kürzlich mehrere Bäume von einem Biber angefressen.
Der stellvertretende Leiter des Wasserwirtschaftsamtes, Uwe Seidl, steht im Foyer seiner Behörde neben einer Glasvitrine in der ein präparierter Biber steht und sagt: "Als Problem würde ich die Biber nicht bezeichnen, die Schäden sind überschaubar, vielleicht eher als lästig." Dann, wenn beispielsweise in einen Biberdamm Rohre gelegt werden müssen, damit das Wasser abfließen kann - regelmäßig an der Lauer und der Wern - oder wenn die
angefressenen Bäume gefällt und weggeräumt werden müssen - das ist meistens an der Saale der Fall.
Dort baut der Biber keine Dämme, das Wasser ist bereits tief genug für einen Bau unter Wasser. Die Bäume dienen als Nahrungsquelle, nicht als Staumaterial. "Es geht vor allem um die Verkehrssicherheit", sagt Seidl. Die Wanderer am Ufer, im Frühjahr die Schiffe - ein umfallender Baum wäre fatal.
Sechs Bäume haben sie in der vergangenen Woche fällen müssen.
Kein Biber wird getötet
In den Richtlinien zum Bibermanagement steht unter dem Punkt 2.3.1 "Die dritte Säule", sozusagen die Ultima Ratio in Sachen Biberbeseitigung: Tötung nach Fang, Abschuss des Bibers vor Ort.
Dass diese Regel zum Einsatz kam, habe er noch nie erlebt, sagt Uwe Seidl.
Die schärfste Maßnahme, wenn man so will, war bislang immer nur die Umsetzung eines Bibers. Und dass auch nur dann, wenn die Statik eines technisches Bauwerks, beispielsweise zum Hochwasserschutz, durch einen Biberbau gefährdet ist. Dann sagt Seidl, bestehen wir darauf, dass die Biber gefangen und umgesetzt werden.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt kommt eine weitere Behörde ins Spiel: der Naturschutz. Genauer: die Untere Naturschutzbehörde, angesiedelt im Landratsamt, vertreten durch den Biberbeauftragten. Ebenfalls in Sachen Biber involviert können sein: die Stadt, beziehungsweise die Servicebetriebe und die Höhere Naturschutzbehörde, angesiedelt bei der Regierung von Unterfranken, wenn es darum geht, die Kartierung der Biberbestände im Bezirk festzustellen.
Den Überblick zu behalten ist da mitunter nicht ganz einfach: "Nein", sagt Thomas Hack, Pressesprecher der Stadt, er glaube nicht, dass die Bäume an der Saale in die Zuständigkeit der Stadt fallen, zur Sicherheit frage er aber nochmal nach.
Tatsächlich fällt die Saale als Gewässer erste Ordnung - die Einteilung erfolgt anhand der wasserwirtschaftlichen Bedeutung und dem Aufwand für den Unterhalt - unter das Hoheitsgebiet des
Wasserwirtschaftsamtes, ebenso Gewässer zweiter Ordnung, ein Beispiel dafür: die Thulba. Allein für Bäche und andere kleinere Gewässer - in diesem Fall dritter Ordnung - sind die Gemeinden und Städte selbst verantwortlich.
Auf der Biberautobahn
Die Mitarbeiter des Bauhofs in Bad Kissingen fahren alle 14 Tage die Bäche im Stadtgebiet ab und kontrollieren, ob Bäume beschädigt sind.
Fündig werden sie meist an Embach, Lauterbach und Nüdlinger Bach. Der Biber, sagt Hack, ist ein Thema, aber kein Problem.
"Man ist ja auch froh, wenn die Tiere da sind." Ein Biber sei immer auch ein Zeichen für die Wasserqualität.
Die Aufgabe der Stadt ist beschränkt darauf, die beschädigten Bäume zu fällen. Die Biber indes werden nicht behelligt. Das, sagt Hack, ist Sache der Naturschutzbehörde.
Peter Piel, von der Unteren Naturschutzbehörde, sagt Worte wie "Biberautobahn" und "Bissbereich" mit einer Nonchalance wie es wohl nur jemand kann, in dessen Behörde das offizielle Bibermanagement angesiedelt ist. Von den angebissenen Bäumen an der Saale hat ihn die Kurgärtnerei informiert, im Lauf der Woche wird er sich noch ein Bild vor Ort machen. Wird sich anschauen, was er präventiv machen kann.
Also ob er die Bäume im "Bissbereich" des Bibers mit einem Drahtgestell oder einem Verbissschutzmittel, das auf den Stamm gesprüht wird, schützen will. "Beides funktioniert gut."
Die Saale, sagt Peter Piel, ist die Biberautobahn. Und die funktioniert bislang staufrei. Jährlich siedeln sich mehr Biber an den Gewässern im Landkreis an, 2015 hat die Höhere Naturschutzbehörde 57 Reviere verzeichnet.
Der Biber, sagt Piel auf die Frage nach den Nutzen des Tieres und nach längerem Überlegen, der Biber begründet die Vielfalt des Lebens in und am Wasser. Anders ausgedrückt: durch das Anstauen des Wassers bilden sich Biotope, in denen sich beispielsweise Fischarten wieder vermehrt ansiedeln können.
Seit der Wiederansiedlung der Biber Anfang der 90er-Jahre ist die Tierart nicht nur geschützt, sondern streng geschützt und da unter diesen Schutz auch die
entsprechenden Bauten fallen, ist das Zerstören eines Biberdamms keine Ordnungswidrigkeit sondern eine Straftat. "Das geht vor Gericht", sagt Piel. Es muss sozusagen ein besonders schwerer Schaden vorliegen, damit die Untere Naturschutzbehörde eine Ausnahmegenehmigung erteilt.
Ein Beispiel: In Albertshausen, am Embach, auf einer Strecke von gut hundert Metern gilt seit kurzem eine solche Regel, dort droht das Wasser durch den Dammbau eines Bibers in die Kläranlage
zurückzulaufen.
Alle zwei Wochen findet dort nun ein "Begang" statt, wie Piel es nennt, wird dabei ein Bau entdeckt, darf er beseitigt werden. Wohlgemerkt nur der Bau, nicht der Biber: "Den Biber selbst entfernen, ist immer das letzte Mittel", sagt Piel.
Darum heißt Bibermanagement nicht zuletzt auch manchmal Krisenmanagement. Dann vor allem, wenn Privatbesitz betroffen ist - das reicht vom einzelnen Apfelbaum bis zu den Feldern der Landwirte.
"Einzelfallentscheidungen", sagt Piel. So auch als kürzlich die Wiese eines Landwirts am Ufer der Lauer durch einen Biberdamm überschwemmt worden war. Gemeinsam haben Wasserwirtschaftsamt, Naturschutz und der Landwirt eine Umgehungsrinne gegraben, sodass das Wasser abfließen und der Damm bestehen bleiben konnte.