Als Bad Kissingen noch eine eigene Polizei hatte

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Einsatzbesprechung an der Baustelle des Elisabeth-Krankenhauses anno 1965. Von links zu sehen sind die Polizisten Blodau, Fischer und Wolf sowie der Kripo-Mann Schlemme. Im Einsatzwagen sitzt Georg Gmelch. Die historischen Fotos stellte uns Gerhard Fischer zur Verfügung.
Einsatzbesprechung an der Baustelle des Elisabeth-Krankenhauses anno 1965. Von links zu sehen sind die Polizisten Blodau, Fischer und Wolf sowie der Kripo-Mann Schlemme. Im Einsatzwagen sitzt Georg Gmelch. Die historischen Fotos stellte uns Gerhard Fischer zur Verfügung.
Die Stadtpolizei nimmt einen Unfall auf. Ein NSU-Prinz war gegen einen US-Jeep geprallt.
Die Stadtpolizei nimmt einen Unfall auf. Ein NSU-Prinz war gegen einen US-Jeep geprallt.
 
Das Stadtpolizei-Emblem für die Dienstmütze. Fotos: Thomas Mäuser
Das Stadtpolizei-Emblem für die Dienstmütze. Fotos: Thomas Mäuser
 
Auch am Ärmel der Uniform tauchte das Stadtwappen auf.
Auch am Ärmel der Uniform tauchte das Stadtwappen auf.
 
Auch die Bewachung des hier kurenden Bundespräsidenten Heinrich Lübke gehörte zu den Aufgaben der Stadtpolizei.
Auch die Bewachung des hier kurenden Bundespräsidenten Heinrich Lübke gehörte zu den Aufgaben der Stadtpolizei.
 

Bis 1971 hatte Bad Kissingen eine Stadtpolizei. Die Zuständigkeit endete an der Stadtgrenze. Dienststelle war das Alte Rathaus. Ende der 1960er Jahre wurde den Kommunen die eigene Polizei zu teuer und diese verstaatlicht.

Um 12 Uhr mittags am 1. Oktober 1971 schlug der Bad Kissinger Stadtpolizei die Stunde Null. Im Sitzungssaal des Rathauses hielt der damalige Oberbürgermeister Dr. Hans Weiß die Abschieds-Laudatio auf diese städtischen Einrichtung. Mit dabei Stadtpolizist Gerhard Fischer, der nun zum Landpolizisten wurde.

Am 1. September 1960 war der gebürtige Bamberger als Wachtmeister von der Bereitschaftspolizei zur Stadtpolizei Bad Kissingen gewechselt.
Zu einer Zeit, als der oberste Dienstherr noch der Oberbürgermeister war. Die Polizisten waren städtische Beamte.

Eine Stadtpolizei gab es nicht nur in Bad Kissingen, sondern in vielen größeren Städten des Freistaates. So lange, bis das Land eine einheitliche Polizei favorisierte und den Städten das Geld fehlte, ihre Polizisten zu bezahlen.
Und das waren in Bad Kissingen immerhin gut 50 Mann, darunter fünf Kripo-Beamte, erinnert sich Gerhard Fischer. Ihr Einsatzgebiet war die Kernstadt und endete zum Beispiel in Richtung Westen dort, wo in der Schönbornstraße einst das Ortsschild Bad Kissingen von Garitz trennte. Hinter den Ortsschildern war die Landpolizei zuständig, obwohl die städtischen Kollegen in Absprache mit der Landpolizei einen Täter auch über das Ortsschild hinaus verfolgen konnten.

Kontakte gepflegt

"Man brauchte Fingerspitzengefühl in einer Kleinstadt, wo jeder jeden kennt", sagt Gerhard Fischer rückblickend. Jeder Beamte hatte einen bestimmten Bezirk, pflegte Kontakte. "Die Bürger haben sich gefreut, wenn wir Kontakt aufgenommen haben und haben auch Hinweise gegeben", sagt Gerhard Fischer. "Es war alles persönlicher, und beide Seiten haben profitiert."

Auf Streife ging die Stadtpolizei zu Fuß, auf dem Ärmel der blauen - im Sommer weißen - Uniformjacke prangte das Bad Kissinger Stadtwappen. Auch in der Nacht ging es auf Streife, und einer der Kripo-Leute war immer mit dabei.

Mit Fingerspitzengefühl

Fingerspitzengefühl war auch im Umgang mit den Kurgästen gefragt. So hatte OB Weiß seinen Polizisten eingeschärft, maßvoll gegenüber den Gästen aufzutreten. "Eine gebührenfreie Verwarnung ist mir genau so viel wert wie ein Strafzettel, der etwas kostet", soll Weiß gesagt haben. Wobei sich die Verwarnungsgebühren damals gerade einmal zwischen zwei und fünf Mark bewegten. Andererseits waren die Gäste laut Fischer froh, dass die Streife auch durch die Parks führten, "die Leute haben sich sicher gefühlt."

Ihren Einsatzort hatte die Stadtpolizei im Alten Rathaus. "Das ganze Gebäude stand uns zur Verfügung", sagt Fischer. Im Erdgeschoss befanden sich die Wache und zwei Zellen, im 1. Obergeschoss residierten die Kripo und Dienststellenleiter Otto Hlawatsch, der Sitzungssaal im 2. Obergeschoss war für Dienstunterrichte reserviert.
Zwischen Altem Rathaus und dem Schuhgeschäft parkten die beiden Einsatzwagen. Es waren stets Opel-Rekord. "Die Landpolizei hatte VW-Käfer und hat uns vor allem im Winter wegen der besseren Heizung im Opel beneidet", schmunzelt Gerhard Fischer.

Wache für den Präsidenten

Der Dienst war ruhiger als heute, weiß Gerhard Fischer, doch es gab auch besondere Einsätze. Zum Beispiel, wenn der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke in Bad Kissingen kurte. Lübke und seine Frau Wilhelmine wurde rund um die Uhr bewacht, auch das damalige und inzwischen abgerissene Kurländer-Haus in der Menzelstraße, in dem der Bundespräsident logierte. Zwei Kissinger Beamte waren extra dafür ausgebildet worden. "Da hatten wir Urlaubssperre", erinnert sich Gerhard Fischer.

Auch als der 1. Mensch auf dem Mond, Neil Armstrong, in Bad Kissingen weilte, hatte die Stadtpolizei Großeinsatz. "Ich war auch dabei", sagt Fischer und deutet auf ein von Armstong handsigniertes Postkutschen-Billett.
Eher unspektakulär war der normale Dienst. Dazu gehörte auch die manuelle Regelung des Verkehrs. Zum Beispiel am Berliner Platz, am Schlachthof und auf der Boxberger-Kreuzung. Der Weg Richtung Schweinfurt führte vor dem Bau des Ostrings über die Kurhausstraße. "Beim Regeln des Verkehrs trugen wir weiße Mäntel, Handschuhe und Mützen", sagt Fischer.

Natürlich wurden auch Alkoholkontrollen durchgeführt. Heute kaum mehr vorstellbar, dass sich Autofahrer damals erst mit 1,5 Promille strafbar machten. Heute gilt das als Vollrausch.

Zusammenarbeit mit der MP

Übrigens gab es damals nicht nur Stadt- und Landpolizei in Bad Kissingen. Hinzu kam die amerikanische Militärpolizei, kurz MP genannt. Bad Kissingen war Garnisonsstadt. Die Amerikaner hatten in der Stadt ihre bestimmten Lokale, und dort gab es schon ab und zu Schwierigkeiten. "Aber die MP war schnell zur Stelle - und nicht zimperlich", wie sich Gerhard Fischer erinnert. Auch Streife ist die MP gelaufen. Andererseits hat die Stadtpolizei schon mal grölende GIs vom Lokal bis zur Kaserne eskortiert. Gerhard Fischer spricht von einem guten Miteinander mit den US-Kollegen, "es war eine Erleichterung, dass die MP vor Ort war".

Einmal, 1971, wurde Gerhard Fischer zu einem Mordfall gerufen. Reiterswiesen war kurz vor Schluss noch zum Gebiet der Stadtpolizei hinzugekommen, und dort hatte ein Amerikaner seine Freundin erstochen. "Doch er hat sich widerstandslos festnehmen lassen", sagt Fischer.

Nahe gegangen sind ihm die Unfälle mit getöteten Personen, vor allem, wenn Kinder beteiligt waren. "Das geht einem unter die Haut, das muss man erst einmal verarbeiten.

Dennoch ist Gerhard Fischer, der seinen Dienst 1999 als Hauptkommissar bei der Landespolizei beendete, gerne Polizist gewesen. "Der Polizeiberuf ist ein schöner Beruf", sagt der heute 73-Jährige. Und besonders gefallen hat ihm die Zeit bei der Stadtpolizei.

Der gestohlene Streifenwagen

Zum Abschluss erzählt Gerhard Fisc her noch eine nette, kleine Geschichte, und zwar die vom gestohlenen Streifenwagen. Es war die Nacht zum Ostermontag 1963. Die Stadtpolizei wurde gegen 3 Uhr zum Einsatz in eine Bar in der Würzburger Straße gerufen. Der Wirt kam heraus und rief: "Schnell, schnell, die schlagen mir das Lokal zusammen."

Die Polizisten, darunter Gerhard Fischer, stürmten die Bar und schlichteten den Streit. Als sie wieder vor die Türe gingen, war der Streifenwagen weg. "Wir hatten in der Eile vergessen, den Schlüssel abzuziehen", schmunzelt Fischer.

Die Fahndung wurde sofort eingeleitet, die Landpolizei mit eingeschaltet. Morgens um 7 Uhr meldete ein Busfahrer, er habe den Streifenwagen an einem Waldrand bei Waldfenster entdeckt.

Der Täter wurde schnell ermittelt - samt einer Begründung für den Diebstahl. Er hatte vor kurzem zwei Mark zahlen müssen, weil er in seinem Privatwagen seine Schlüssel hatte stecken lassen. Doch das half ihm letztlich nichts. Die Strafe folgte auf dem Fuße.