Ärzte helfen immer öfter per Internet

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Auch NIDA ist ein Pilotprojekt, an dem das ZTM Bad Kissingen beteiligt ist: Lebenswichtige Patientendaten werden unverzüglich vom EKG (links) über ein PAD (Mitte) auf den Monitor im Krankenhaus (rechts) übertragen, erklärt Roland Richter. Rechts ZTM-Geschäftsführer Sebastian Dresbach. Foto: Edgar Bartl
Auch NIDA ist ein Pilotprojekt, an dem das ZTM Bad Kissingen beteiligt ist: Lebenswichtige Patientendaten werden unverzüglich vom EKG (links) über ein PAD (Mitte) auf den Monitor im Krankenhaus (rechts) übertragen, erklärt Roland Richter. Rechts ZTM-Geschäftsführer Sebastian Dresbach.  Foto: Edgar Bartl

Der Telemedizin gehört die Zukunft. Sie bietet großartige Möglichkeiten, von der vor allem die Menschen auf dem flachen Land profitieren könnten. Das wurde bei einem Fachkongress in Bad Kissingen deutlich.

Der Vorstandsvorsitzende des Zentrums für Telemedizin (ZTM) Bad Kissingen, Professor Bernd Griewing (BadNeustadt), sagte es so: "Die Telemedizin wird sexy" wir sind "auf dem Weg von der Baustelle zum Standart". Die Referenten beim ersten Bad Kissinger Telemedizinkongress untermauerten das. Griewing sprach von Aufbruchstimmung.

Telemedizin (TM) biete viele Möglichkeiten, Patienten auch auf dem flachen Land im ambulanten und stationären Bereich Ressourcen und Zeit sparend zu versorgen. Die Entwicklung gehe von der Basis aus: Die Beteiligten suchen sich die Dinge zusammen, die ihnen helfen.

Wie das gehen kann, erörterte Torsten Zauper (Bad Neustadt). Der Hausarzt betreut auch Patienten in sechs Altenheimen. Die besucht er alle vier Wochen.


"Unglaubliche Zeitersparnis"

Bei den Senioren in einem Bad Neustädter Haus macht der Mediziner zusätzlich eine tägliche Televisite: Er ruft per E-Mail aktuelle Informationen über ihren Gesundheitszustand ab.

Bei der 93-jährigen Isolde M. - "eine sehr betagte, aber lustige Patientin" - ist ihm dabei eine deutlich verlangsamte Pulsfrequenz aufgefallen. Frau M. war subjektiv beschwerdefrei. Zauper veranlasste zunächst mehrere tägliche Kontrollen, das Absetzen eines Medikaments und ein Langzeit-EKG. Wenige Tage später wurde der Seniorin ein Herzschrittmacher eingesetzt. Es geht ihr wieder sehr gut.

Zauper ist vom System überzeugt: Er lobte die "unglaubliche Zeitersparnis". Es gebe weniger ungeplante Hausbesuche. Seine Mitarbeiterinnen würden entlastet, die Kommunikation mit dem Pflegepersonal verbessert. Alle hätten mehr Sicherheit. Er würde gerne mehr Patienten über die TM betreuen.

Ähnlich gut läuft die Kooperation zwischen dem Thorax-Zentrum Münnerstadt und einer Wohngemeinschaft für Heimbeatmung. Ärztlicher Direktor Bernd Zeese und Michael Weh-ner, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Intensivpflege Nordbayern, zeigten sich sehr zufrieden. Darum geht es: Beatmungspatienten, die die Remeo-Station der Klinik verlassen und in einer Pflegeeinrichtung wie Wenoba in Bad Bocklet unterkommen, werden dort weiterhin lungenfachärztlich betreut.


Optimierter Heilungsprozess

Zeese ist der "Teledoc". Er kann bei der Televisite von Münnerstadt aus alle relevanten Daten einsehen, die Kranken per Kamera begutachten und bei Problemen reagieren. Damit sei "ein optimierter Heilungsprozess bei hoher Lebensqualität" möglich. Davon profitierten auch die beteiligten Hausärzte und das Pflegepersonal.

Ein großes Problem sprachen mehrere Referenten an: Die Refinanzierung durch die Kassen ist - noch - unbefriedigend. Dazu sagte Griewing, Politik und Leistungsträger hätten zwar die Vorteile der TM erkannt, aber noch keine klaren Kriterien erstellt. Deshalb sei ein exakter Leistungskatalog zu erstellen. Benötigt werde eine nachhaltige Lösung. Bayern sei im Vergleich zu anderen Bundesländern weit.

Im Freistaat hat wiederum die Region Bad Kissingen-Rhön Grabfeld eine führende Rolle. Das ist nicht nur dem ZTM zu verdanken, sondern auch Programmen wie Cardio- und Stroke-Angel. Die Infarktpatienten sind noch nicht im "Sanka", schon laufen in der Klinik auf einem Monitor alle relevanten Daten auf. Die Mediziner wissen genau, was benötigt wird. Wertvolle Zeit wird so gewonnen.

Der Bad Kissinger Notarzt Ralph Braath hat damit "sehr gute Erfahrungen" gemacht und setzt auch auf die TM. Sie biete interessante Möglichkeiten.

Griewing sagte, die Menschen im ländlichen Raum müssten die gleichen Bedingungen haben wie die in den Ballungsgebieten. TM ergänze aber nur die klassischen Versorgungsmethoden, sie ersetze sie nicht, so Alexander Kraemer vom bayerischen Gesundheitsministerium.


"Chance für Bad Kissingen"

Landrat Thomas Bold (CSU) sieht das Bad Kissinger ZTM knapp zwei Jahre nach der Etablierung gut im Plan. Um das Projekt erfolgreich gestalten zu können, müssten sich Kliniken, Mediziner, Wissenschaft und Technik einbringen. Peter Deeg (CSU), Mediziner und Bürgermeister, nannte die TM eine Zukunftschance für die Weiterentwicklung des Gesundheitsstandortes Bad Kissingen. Dass ein solcher Kongress hier stattfinde, sei für die Stadt wichtig.

Das sieht Organisator Sebastian Dresbach ebenso. Er ist mit dem Verlauf äußerst zufrieden. Es werde "auf alle Fälle" einen zweiten TM-Kongress geben.

Geschichte Die Einrichtung des ZTM Bad Kissingen hat der bayerische Ministerrat am 7. Juli 2010 bei seiner Sitzung im Staatsbad beschlossen. Die Projektkosten belaufen sich auf 2,7 Millionen Euro. Davon trägt der Freistaat 90 Prozent. Das ZTM hat am 1. 1. 2012 die Arbeit aufgenommen, seit Mai 2012 gibt es eine Geschäftsstelle im Gründerzentrum . Es hat knapp 60 Mitglieder. Vorstandsvorsitzende sind die Mediziner Bernd Griewing (Bad Neustadt) und Peter Deeg (Bad Kissingen).

Aufgaben Das ZTM entwickelt und forciert unter Einbeziehung von Experten verschiedenster Art telemedizinische Dienstleistungen. Dazu werden regionale und überregionale Patenschaften auf gebaut. Infos unter www.ztm-badkissingen.de (Tel. 0971/ 78 35 29 13).

Förderung Seit 1995 fördert Bayern die Telemedizin. Mehr als zwölf Millionen Euro flossen in über 50 Projekte und sieben Netzwerke. Zwei Millionen Euro kommen aus dem Programm "Aufbruch Bayern".