Rund 40 000 deutsche Urlauber stecken aufgrund der Corona-Pandemie derzeit im Ausland fest und warten darauf, vom Auswärtigen Amt nach Hause geholt zu werden. Nadine Rippstein aus Sand am Main hat es gerade noch rechtzeitig geschafft.

Alle Flugzeuge stehen am Boden. Die Ankunftshalle ist beinahe menschenleer. Diese gespenstische Atmosphäre am Münchner Flughafen ist Nadine Rippstein besonders im Gedächtnis geblieben. "In Südafrika war noch alles in Ordnung. Dann kommt man heim und plötzlich ist alles anders." Am 15. März schaffte es die 25-Jährige mit einem der letzten regulären Flüge zurück nach Deutschland. Gerade noch rechtzeitig vor dem südafrikanischen "Lockdown". Zwei Familien aus dem Landkreis Haßberge hatten weniger Glück.

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Ein Jahr im Voraus hatte Nadine die Reise geplant, die Flugtickets bereits im Oktober gebucht. Es sollte eine Auszeit nach dem Studium werden, ein Stück Selbsterfahrung in einem für sie bisher unbekannten Land. Am 19. Januar flog sie über Zürich nach Südafrika, wo sie bis Ostern bleiben wollte. Einige Freunde sollten später nachreisen. Doch dann kam alles anders. "Als ich los bin, hätte ich nie gedacht, dass sowas passieren könnte. Und dass es so extrem wird", sagt Nadine zurück bei ihrer Familie in Sand am Main. Vor ihrem Flug habe sie daher keinerlei Bedenken gehabt. Zur Erinnerung: Am 28. Januar wurde der erste Corona-Fall in Deutschland bestätigt, in Südafrika erst über einen Monat später am 5. März.

Familie in Deutschland macht sich Sorgen

Knapp zwei Monate war die Fränkin schon in Südafrika, als sich die Lage daheim zuspitzte. "Meine Eltern haben angerufen und gesagt: ,Es wird immer schlimmer hier. Schau, dass du heimkommst!‘" Nadine versuchte, ihre besorgte Familie zu beruhigen. "Denn zu diesem Zeitpunkt war ich in Südafrika noch sicherer als in Deutschland. Die Leute dort haben nur Witze darüber gemacht." Sich in Restaurants zu treffen oder abends zusammen feiern zu gehen, war weiterhin erlaubt, auch Straßenmärkte hatten noch geöffnet.

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Doch nach und nach wurde eine Veranstaltung nach der anderen abgesagt und die 25-Jährige entschied sich, ihren Aufenthalt frühzeitig abzubrechen. Ihr Rückflugticket von Swiss Airlines auf Lufthansa umzubuchen, gestaltete sich jedoch nicht gerade reibungslos. "Ich habe Mails an die Fluggesellschaft und die Internetseite geschrieben, über die ich die Tickets gebucht hatte. Aber ich habe keine Antworten bekommen." Gleichzeitig wurde das Datenvolumen ihres Handys immer knapper. Ihre Eltern hängten sich daraufhin von Deutschland aus in die Warteschleife der Flug-Hotline. Die Leitungen waren bereits überlastet, eine dreiviertel Stunde dauerte es, bis sie zu einer Mitarbeiterin durchgestellt wurden.

Die Rückreise aus Südafrika bleibt ungewiss

Doch damit hatte das Bangen kein Ende: Das Umbuchen sei nicht so einfach. Zudem könne es eine Zeit lang dauern, bis das Ticket ankomme. Nadine solle zudem regelmäßig kontrollieren, ob ihr Flug zum geplanten Termin auch wirklich stattfinde. Parallel fragte die 25-Jährige bei der Deutschen Botschaft in Pretoria nach, ob sie auch nach Deutschland zurückfliegen könne, wenn die Grenzen geschlossen werden. Die Antwort fiel ernüchternd aus: Die Botschaft könne sich erst um das Problem kümmern, wenn dieser Fall tatsächlich eintrete.

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600 Euro musste Nadine schließlich für das neue Ticket drauflegen. Dabei hatte die Airline zunächst auf ihrer Homepage angegeben, die Umbuchungen seien kostenlos. "Das war aber okay und besser, als weiter dort festzusitzen", sagt sie. "Ich war froh, als ich endlich mein Ticket hatte. Auch wenn alles sehr kurzfristig und spontan war." Seit dem 18. März sind Südafrikas Grenzen abgeriegelt, kurz darauf begann die 21-tägige Ausgangssperre. "Ich habe echt Glück gehabt", sagt Nadine im Nachhinein erleichtert.

Unterfranken warten in Südafrika auf Rückflug

Zwei Familien aus dem Landkreis Haßberge können das nicht von sich behaupten. Sie mussten seit Ende März darauf warten, über das Rückholprogramm des Auswärtigen Amtes nach Hause zu kommen. Über Johannesburg und Kapstadt gingen mittlerweile mehrere Flüge zurück nach Deutschland. Am Mittwoch, 8. April, waren die Unterfranken endlich unter den Passagieren. Darüber, wie es ihnen in den vergangenen Tagen in Kapstadt ergangen ist, möchten sie nicht sprechen. Nur so viel: Botschafter Martin Schäfer hält seine in Südafrika festsitzenden Landsleute regelmäßig auf dem Laufenden.

In seinem aktuellen Schreiben geht Schäfer auf die von Reisenden geäußerte Kritik ein, die Vergabe der Rückholplätze sei nicht transparent. Das Auswärtige Amt versuche, die Plätze "fair und solidarisch, gerecht und nachvollziehbar" zu verteilen. "Dabei unterlaufen uns im Eifer des Gefechts auch Fehler. Nicht alle Entscheidungen mögen von allen von Ihnen verstanden oder respektiert werden. Und wahr ist auch: Wir können nicht jedem gerecht werden", gesteht der Deutsche Botschafter. "Deshalb möchte ich Ihnen sagen: Ich übernehme die volle Verantwortung für die von uns getroffenen Entscheidungen."

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Auf die Nachfrage des Fränkischen Tags, ob die Flugplatzvergabe nach bestimmten Dringlichkeiten erfolge, antwortet das Auswärtige Amt lediglich: "Weitergehende Angaben zu konsularischen Einzelfällen - auch zu regionalen Hintergründen von Betroffenen - machen wir aus Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes grundsätzlich nicht."

Nadines Rückflug startete am 15. März um halb zehn Uhr morgens. Die Situation am Flughafen in Kapstadt war surreal: Das gesamte Personal trug Schutzmasken und Handschuhe. "Aber es war nicht so krass wie in München am Flughafen", erzählt sie. An diesem Abend landete nur ein einziges weiteres Flugzeug dort, außer den Passagieren der zwei Maschinen war der Flughafen komplett leer. Die Rückreise selbst sei problemlos verlaufen. "Ich hatte gedacht, der Flug sei total überbucht. Aber es waren tatsächlich noch Sitze frei, das hat mich gewundert."

Ein deutsches Ehepaar an Bord erzählte davon, wie ihr Rückflug von Namibia aufgrund der Grenzschließung gecancelt wurde und sie über Kapstadt nach Deutschland ausreisen mussten. "Bei ihnen war es auch knapp", meint Nadine. Ein Bekannter sei erst ein paar Tage nach ihr über das Rückholprogramm zurückgeflogen und berichtete von chaotischen Zuständen.

Stornierungen und Gutscheine für gecancelte Flüge

Darüber, wie es ihr in Südafrika ergangen wäre, wenn sie ihren Aufenthalt nicht rechtzeitig abgebrochen hätte, möchte Nadine gar nicht zu viel nachdenken. Außer den 600 Euro für das neue Ticket habe ihr der verfrühte Rückflug keine zusätzlichen Kosten beschert. "Wir konnten zum Glück viel stornieren. Die sind da drüben sehr kulant", sagt sie. Ihre Freunde, die eigentlich am 31. März nachkommen wollten, warten noch auf eine Rückmeldung der Fluggesellschaft. Sie haben die Airline nun kontaktiert, ob ihnen die Kosten der gestrichenen Flüge zumindest durch Gutscheine erstattet werden.

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Nadine selbst ist auf dem Weingut ihrer Eltern schon wieder im Arbeitsmodus. Ihre Reise nach Südafrika bereue sie nicht. "Es war eine echt gute Erfahrung, obwohl es so geendet hat." Ihren Landsleuten, die weiterhin in der Ferne ausharren müssen, drückt sie ganz fest die Daumen. "Sie sollen durchhalten und alle Hebel in Bewegung setzen, um heimzukommen. Südafrika ist nicht das schlechteste Land, um festzusitzen. Aber zuhause ist es doch am schönsten."

~ 2200 Reisende konnten laut Angabe des Auswärtigen Amtes in den vergangenen Tagen über das Rückholprogramm von Johannesburg und Kapstadt aus zurück nach Deutschland fliegen (Stand vom 8. April).

"Operation Luftbrücke": Das Rückholprogramm des Auswärtigen Amtes

Mitte März startete Außenminister Heiko Maas das Rückholprogramm, um deutsche Reisende aus Ländern zurückzuholen, in denen aufgrund der Corona-Pandemie keine regulären Flüge mehr stattfinden. Das Auswärtige Amt arbeitet dafür mit Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften zusammen, organisiert aber auch eigene Sonderflüge. 56 Länder gelten derzeit als "besonders betroffen" und sind Teil der Aktion. Das Rückholprogramm gilt für diejenigen Deutschen und ihre Familienangehörigen, die sich vorübergehend, beispielsweise zum Urlaub, in einer besonders von Reiseeinschränkungen betroffenen Region aufhalten. Reisende müssen sich dafür und in manchen Fällen täglich auf www.rueckholprogramm.de registrieren. Noch nicht endgültig entschieden ist, ob für alle Rückkehrer eine zweiwöchige Quarantäne-Pflicht gelten soll.