Und was ist mit der Forderung nach einer Begrenzung der Asylzuwanderung?
Die wird vor allem von der Union vorgetragen, die dazu auch schon mehrfach Zahlen in den Raum gestellt hat. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nannte zuletzt beispielsweise «50.000 oder 60.000 Flüchtlinge pro Jahr». Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist da skeptisch. Er sagt: «Als Ziel kann man über alles reden.» Für eine Obergrenze wären aber grundlegende rechtliche Änderungen notwendig, nicht nur in Deutschland, sondern es gehe hier auch um die Genfer Flüchtlingskonvention. «Und das muss jeder wissen, der diese scheinbar so naheliegende Lösung für sich ins Kalkül zieht», gibt Weil zu bedenken. Er rät, sich besser auf Maßnahmen zu konzentrieren, die schnell Wirkung zeigen.
In puncto Grenzkontrollen hat die Bundesregierung geliefert, wenn auch aus Sicht einiger CDU-Politiker zu spät. Mitte Oktober hat Faeser stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz angeordnet und seither mehrfach verlängert. Fest steht, dass die zusätzlichen Grenzkontrollen dazu beigetragen haben, dass weniger Menschen versuchen, unerlaubt nach Deutschland einzureisen. Zwar wird nur in Ausnahmefällen jemand an der Grenze zurückgewiesen. Doch für die Schlepper, die Strafverfolgung fürchten müssen, steigt durch die Kontrollen das Risiko, entdeckt zu werden. Dass sich Schlepper neue Routen suchen können und langfristig vor allem europäische Lösungen wirken, ist den meisten Politikerinnen und Politikern dennoch klar.
Wie viele Geflüchtete sind es denn eigentlich?
Laut Bamf stellten 2023 in Deutschland 329.120 Menschen erstmals einen Asylantrag - die meisten von ihnen kamen aus Syrien, der Türkei und Afghanistan. Das waren rund 50 Prozent mehr Erstanträge als 2022. Derzeit leben hierzulande zudem infolge des vor zwei Jahren begonnenen russischen Angriffskriegs rund 1,14 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine, die keinen Asylantrag stellen müssen. Im Januar ist die Zahl der neuen Anträge im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken. Mit 26.376 Erstanträgen lag sie um 9,3 Prozent unter dem Wert vom Januar 2023, allerdings um 14,6 Prozent über dem von Dezember 2023.
Geht es auf EU-Ebene voran?
Ja. Doch bis die im Dezember vereinbarten Reformen umgesetzt sind, dürften noch Jahre vergehen. Beispielsweise müssen an den Außengrenzen der Europäischen Union Zentren errichtet werden, in denen Schutzsuchende aus Staaten mit einer niedrigen Anerkennungsquote dann ihre Asylverfahren durchlaufen sollen. Auf der Liste der Hausaufgaben der EU-Kommission stehen außerdem Gespräche mit der türkischen Regierung darüber, wie das weitgehend bedeutungslos gewordene Abkommen zwischen der EU und der Türkei wieder aktiviert werden kann.
Die Türkei und die EU hatten 2016 einen Flüchtlingspakt unterzeichnet, in dem Ankara zusagte, gegen irreguläre Migration vorzugehen. Bestandteil der Abmachung war unter anderem, dass die EU Flüchtlinge und Migranten, die ohne Visum über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken konnte. Im Gegenzug gab es Unterstützung bei der Versorgung von Flüchtlingen in der Türkei. Neu hinzugekommen ist ein anderes Problem: Immer mehr türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger beantragen in Deutschland Asyl.
Was wollen die Länder noch?
Die Bundesregierung will prüfen, ob Asylverfahren nicht in Deutschland, sondern in einem Staat außerhalb der EU, der dazu bereit wäre, durchgeführt werden könnten. Bis zum 20. Juni soll es hierzu Ergebnisse geben. Genau beobachtet wird seitens der Bundesregierung, wie es mit entsprechenden Projekten Großbritanniens und Italiens vorangeht. «Eine Möglichkeit wäre eine Vorprüfung des Asylantrags durch das UN-Flüchtlingshilfswerk in Transitländern», meint die FDP-Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch.
Was ist mit den Abschiebungen?
Faeser verweist auf das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz. Es enthält eine Reihe von Maßnahmen, um den Vollzug der Abschiebung effektiver zu machen und die Ausreisepflicht von Menschen ohne Bleiberecht besser durchsetzen zu können. So erhalten Behörden mehr Möglichkeiten, Ausreisepflichtige aufzufinden, ihre Identität anhand von Dokumenten zu klären und ein Untertauchen zu verhindern. Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams wird von bislang zehn Tagen auf 28 Tage verlängert. Außerdem sollen Behördenvertreter in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als das Zimmer des Abzuschiebenden betreten dürfen. Da das Gesetz erst Ende Februar in Kraft getreten ist, kann man bislang nicht sagen, welche Wirkung die Änderungen in der Praxis haben werden.