Am 1. Oktober feiert der Bundesgerichtshof seinen 75. Geburtstag. Ein Blick auf die Aufgaben, Geschichte und Besonderheiten des größten Bundesgerichts.
Seit 75 Jahren entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH) als letzte Instanz über Straf- und Zivilverfahren aus ganz Deutschland. Seine Entscheidungen prägen damit die Rechtsprechung der Bundesrepublik. Aber welche Fälle landen eigentlich bei den hohen Senaten in Karlsruhe und Leipzig? Und was hat sich seit der Gründung des Gerichts am 1. Oktober 1950 geändert? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Jubiläum:
Was macht der BGH?
Als letzte Instanz in Zivil- und Strafverfahren steht der BGH an der Spitze der Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte. Er sorgt dafür, dass die geltenden Gesetze in der ganzen Bundesrepublik einheitlich ausgelegt werden. Das Bundesgericht ist dabei organisatorisch nicht den Ländern, sondern dem Bundesjustizministerium unterstellt. Es besteht aus dreizehn Zivilsenaten und sechs Strafsenaten. Zwei Strafsenate sitzen in Leipzig, alle übrigen Senate in Karlsruhe.
Welche Fälle landen beim Gericht?
Oft landet ein Verfahren über die Revision beim BGH. Das heißt, dass eine oder beide Parteien eines Gerichtsverfahrens die Entscheidung eines Land- oder Oberlandesgerichts anfechten. Der BGH prüft dann als sogenanntes Revisionsgericht nur, ob in der Vorinstanz Rechtsfehler passiert sind. Er nimmt aber keine neuen Beweise auf oder verhört selbst Zeugen. Außerdem entscheidet der BGH über sogenannte Nichtzulassungsbeschwerden, wenn die Revision zum BGH von der Vorinstanz nicht zugelassen wurde.
Warum sitzt der BGH (überwiegend) in Karlsruhe?
Die Standortwahl hatte vor allem pragmatische Gründe, sagt Detlev Fischer, ehemaliger BGH-Richter und Leiter des Rechtshistorischen Museums im Bibliotheksgebäude des Gerichts. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand der traditionsreiche Standort Leipzig, wo das Reichsgericht seinen Sitz hatte, nicht mehr zur Verfügung, weil er in der DDR lag. Der neue Standort sollte eine ähnliche kulturelle Bedeutung wie Leipzig mitbringen und genügend Wohnraum für die Richterschaft und sonstige Mitarbeitenden bieten, erklärt Fischer.
Lange galt Köln demnach als Favorit - nicht zuletzt, weil es dort schon ein oberstes Gericht für die britische Besatzungszone gab. Auch Kanzler Konrad Adenauer (CDU) habe sich für seine frühere Heimatstadt eingesetzt. Doch der damalige Justizminister und gebürtige Franke Thomas Dehler (FDP) wollte den Gerichtssitz bewusst nach Süddeutschland verlagern, wie Fischer sagt. Schließlich entschied sich der Bundestag 1950 gegen Köln und für Karlsruhe.
Und seit wann gibt es die Senate in Leipzig?
Der 5. Strafsenat saß nach Errichtung des BGH erst in Berlin. Nach der Wiedervereinigung wurde er 1997 nach Leipzig verlegt. Im Jahr 2020 wurde dann ein weiterer Strafsenat in Leipzig geschaffen.
Wie viele Richterinnen und Richter hat der BGH?
Bei der Eröffnung des Gerichts vor 75 Jahren waren zunächst nur 12 von 53 vorgesehenen Richterstellen besetzt, erklärt Rechtshistoriker Fischer. Zum Jahresende seien es immerhin schon 42 gewesen, bis Sommer 1953 stieg die Zahl demnach auf etwa 100. Der überwiegende Teil der Richter sei auch zur NS-Zeit schon in der Justiz tätig gewesen, rund 40 Prozent von ihnen seien Mitglieder der NSDAP gewesen, sagt Fischer. Heute sind am BGH insgesamt 154 Richterinnen und Richter tätig.