Warum ich Angst vor dem Ende von Corona habe

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Ein Kommentar von Io Görz
Das Ende von Corona - ein Ende der Probleme?
Viele Probleme werden wieder unsichtbar gemacht werden. Uns blühen Narben und Traumata.
Das Ende von Corona - ein Ende der Probleme?
pixabay.com (Symbolbild)

Auch wenn die Inzidenzen weiter extrem hoch sind: Viele beschwören das Ende von Corona und sehnen einen "Freedom day" herbei. Mir macht das Ende der Pandemie Sorgen, das hat aber nichts mit den Maßnahmen zu tun.

Dies wird kein Kommentar pro oder contra Impfpflicht und es geht mir auch nicht um die Maßnahmen, die bis zum 20. März weiterlaufen oder gar darüber hinaus. Ich will mich auch gar nicht über Sinn und Unsinn des Begriffs „Freedom day“ auslassen. 

Nein, das viel beschworene „Ende der Pandemie“ macht mir aus anderen Gründen Sorgen. Nicht etwa, weil ich so viel Spaß an Einschränkungen und den Auswirkungen einer Pandemie habe, sondern wegen der Themen, die nun wieder in den Hintergrund treten werden. 

Die Politik will weiter schlafen

Durch die Corona-Pandemie sind Themen, die schon lange da waren, noch sichtbarer geworden: Häusliche Gewalt, Versäumnisse im Bildungsbereich, vor allem bei der Digitalisierung, ein marodes und kaputt privatisiertes und gespartes Gesundheitssystem, um nur ein paar zu nennen. Teilweise gab es viel Aufmerksamkeit für diese Problemfelder, einfach, weil sie nicht mehr zu ignorieren waren. 

Was jetzt kommen wird, ist absehbar: Kritik und notwendige Reformen werden mit Schulterzucken und einem lapidaren „Aber Corona ist doch vorbei“ abgetan werden. Über peinliche Versäumnisse, zum Beispiel bei der Digitalisierung von Verwaltung und Bildung, wird wieder der Mantel des Schweigens gehüllt. 

Es ist traurig, dass wichtige Problemfelder erst dann interessieren, wenn man sie beim besten Willen nicht mehr verbergen kann. Die Politik, ob in Bund oder Ländern, ob Union, SPD oder Grüne und FDP, hat hier jahrelang geschlafen und scheinbar immer darauf gehofft, dass es nicht auffällt, was alles im Argen liegt. Gerade Gruppen ohne starke Lobby haben meist das Nachsehen. 

Die Pandemie bleibt, die Narben bleiben

Daher habe ich Angst, was uns blüht an Stillstand in Bildung und dem Gesundheitssystem. Gesellschaftlich wird es wohl auch wieder stiller werden um die Ungerechtigkeit unbezahlter Care-Arbeit, die vor allem Frauen in Deutschland tragen und in der Corona-Pandemie bisher hauptsächlich abbekommen. 

Die Infektionszahlen und Intensivfälle werden weniger werden, die Pandemie wird abebben – die Narben werden bleiben und die Traumata ebenso. Wir dürfen nicht glauben, dass diese mit der Pandemie enden werden. Daher dürfen wir nicht aufhören, hinzusehen.