Was die Unruhe noch anheizt
Am Mittwoch war ein Potsdamer Treffen radikaler Rechter aus dem November bekanntgeworden. Teilgenommen hatten auch einzelne AfD-Funktionäre sowie einzelne Mitglieder von CDU und erzkonservativer Werteunion. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, bestätigte der dpa, dass er dort über «Remigration» gesprochen hatte.
Rechtsextremisten meinen damit in der Regel, dass eine große Zahl Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. Laut dem Medienhaus Correctiv nannte Sellner drei Gruppen: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht - und «nicht assimilierte Staatsbürger».
Warum das mit einem Verbot nicht einfach ist
Seitdem wird auch der Ruf nach einem AfD-Verbot lauter. Es müsste von Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat beim Verfassungsgericht beantragt und ausreichend belegt werden. «Es ist völlig richtig, ein Verbot der AfD zu prüfen, die in weiten Teilen erwiesen rechtsextremistisch ist», sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast der «Welt». Wichtiger sei allerdings die Auseinandersetzung in der Sache. «Ein Aufstand der Anständigen gegen einen massiven Rechtsruck ist notwendig. In und vor allem außerhalb der Parlamente.»
Die SPD-Regierungschefs des Saarlands und des Landes Hamburg warnten vor der Gefahren eines Scheiterns in Karlsruhe. Ein Verbotsverfahren solle nur angestoßen werden, wenn es sicher zum Erfolg führe, sagte Saar-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger der «Welt». «Sonst organisiert man der Partei einen desaströsen Erfolg, den sie ausschlachten wird.» Auch der FDP-Parlamentsgeschäftsführer im Bundestag, Stephan Thomae, argumentierte dort so. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher mahnte, ein Verfahren erst zu beginnen, «wenn es ausreichend Hinweise und Informationen gibt, um ein Verbot auch gerichtlich durchzusetzen».
Was sonst als Mittel gegen die AfD diskutiert wird
Die Parteichefin des neu gegründeten BSW, Sahra Wagenknecht, sprach sich für eine politische statt einer juristischen Auseinandersetzung aus. «Wir können doch nicht ernsthaft, weil die Politik so schlecht ist und deswegen Menschen aus Empörung eine Partei wie die AfD wählen wollen, sagen, dann verbieten wir diese Partei», sagte sie im ARD-«Bericht aus Berlin». «Und etwas mehr Differenzierung würde der Debatte gut tun, weil, wir helfen der AfD durch diese unsachliche Hysterie.» Sie fügte hinzu: «Es gibt in dieser Partei Nazis, das ist richtig. Aber natürlich ist trotzdem nicht (die Partei- und Fraktionschefin) Frau Weidel ein Nazi.»
Der Linken-Politiker Dietmar Bartsch empfahl, dass sich die Parteien mehr auf ihre eigenen Themen und Aufgaben besinnen. «Die permanente Fixierung auf die AfD und (den als Rechtsextremisten eingestuften Thüringer Landesverbandschef Björn) Höcke erachte ich als falsch», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nannte als Voraussetzungen für eine Eindämmung der AfD in der «Welt» «eine Politik, die Sicherheit und Orientierung vermittelt», sowie das «ganz persönliche Bekenntnis von immer mehr Menschen zu unserer Demokratie gegenüber anderen». Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sagte in der ARD: «Da erwarte ich, dass niemand mehr schweigt und niemand zuguckt, sondern dass diejenigen, die gerade ruhig sind, auch laut die Stimme erheben und sagen, wir lassen nicht zu, dass dieses Land so polarisiert und gespaltet wird von einer Gruppe, die viel, viel kleiner ist als die Vernünftigen in diesem Land.»
Was das Rechten-Treffen auch bewirkt
Viele sehen das inzwischen auch so. Bei Demonstrationen in Berlin, Potsdam und anderen Städten setzten Zehntausende ein Zeichen gegen rechts. Allein in Berlin versammelten sich nach Angaben von Polizei und Veranstaltern 25.000 am Brandenburger Tor. In Potsdam waren es nach Angaben des Oberbürgermeisters 10.000, darunter Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). In Kiel demonstrierten 7000 bis 8000 Menschen gegen die AfD, in Saarbrücken 5000.