«Ich weiß, wie viele Kolleginnen und Kollegen mit sich ringen in der Abwägung unterschiedlicher Aspekte», sagte er. Wenn aber mehrheitlich eine Zustimmung empfohlen werde, «gibt es die klare Erwartung auch in unserer Arbeitsordnung, dass dann diejenigen, die es anders gesehen haben in dieser Abstimmung, dann gemeinsam mit der Mehrheit der Fraktion im Deutschen Bundestag abstimmen».
Vor den Abgeordneten sagte Spahn laut Teilnehmern, es gehe jetzt konkret um die Stabilität der Regierung. Bei einem Scheitern gäbe es keinen Applaus mehr. 90 Prozent der Unionswähler würden dann fragen: «Was macht ihr da?»
Junge Gruppe hat Abstimmung freigegeben
Der Widerstand gegen das Rentenpaket kommt vor allem aus der Jungen Gruppe der Unionsfraktion, die sich seit Monaten gegen das Rentenpaket stemmt. Zu ihr zählen 18 Abgeordnete, die zu Beginn der Legislaturperiode höchstens 35 Jahre alt waren.
Das im Gesetzentwurf angepeilte Rentenniveau - also das Verhältnis der gesetzlichen Rente eines Standardrentners mit 45 Beitragsjahren zum Durchschnittsverdienst aller Erwerbstätigen - von 48 Prozent über 2031 hinaus würde ihrer Überzeugung nach inakzeptable Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe verursachen.
Koalitionsspitze hat sich festgelegt: Keine Änderungen
Die Spitzen von Union und SPD hatten sich am Freitag im Koalitionsausschuss trotzdem darauf festgelegt, den Gesetzentwurf nicht mehr zu ändern. Nach einem Kompromissangebot soll aber die längst beschlossene Rentenkommission schon dieses Jahr mit Vorbereitungen für eine große Reform loslegen. Bis Mitte 2026 solle sie demnach Vorschläge vorlegen und auch mit Vertretern der jungen Generation besetzt werden - zum Beispiel aus der Jungen Gruppe. Außerdem soll sie auch Themen behandeln, die für die SPD bisher ein Tabu waren, zum Beispiel ein späteres Renteneintrittsalter als 67.
Der Jungen Gruppe reicht das Kompromissangebot nicht aus. Nach drei Tagen Bedenkzeit veröffentlichte sie am Montag ein Positionspapier, in dem das Gesetz nach wie vor als «nicht zustimmungsfähig» bezeichnet wird. Darin erklärte die Gruppe aber, die Mitglieder seien in ihrem Abstimmungsverhalten frei. Sie müssen sich nun zwischen ihrer inhaltlichen Überzeugung und dem Koalitionsfrieden entscheiden.
Ein Junger hat sein Ja schon öffentlich angekündigt
Der CDU-Abgeordnete Daniel Kölbl hatte sich bereits am Montag als Erster öffentlich erklärt. «Ich habe mich dafür entschieden, dem Rentenpaket zuzustimmen im Zweifel, damit es am Endeffekt eine Mehrheit gibt», bekräftigte er nach der Fraktionssitzung. «Wir brauchen eine handlungsfähige Regierung, die wir jetzt haben. Die brauchen wir auch zukünftig.»
Neben ihm hat sich bisher nur der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, festgelegt - hinter verschlossenen Türen. Er kündigte in der CDU-Vorstandssitzung am Montag laut Teilnehmern ein Nein an. In der Fraktionssitzung wiederholte er das aber nicht - genauso wenig wie der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Pascal Reddig.
Generell heißt es, dass Abgeordnete aus Bundesländern, in denen nächstes Jahr gewählt wird, am ehesten für das Rentenpaket stimmen werden. Philipp Amthor (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Digitalministerium und Mitgliederbeauftragter im CDU-Vorstand, zählt dazu. Von ihm sagt man seit längerem, dass er die Koalition nicht über die Klinge springen lassen würde.
Spahn macht seit Tagen Druck
Vor allem Unionsfraktionschef Spahn nimmt sich seit Tagen die Jungen nacheinander vor und versucht, sie umzustimmen. Medienberichten zufolge soll er dabei zumindest durch die Blume mit hinteren, wenig aussichtsreichen Listenplätzen bei der nächsten Bundestagswahl gedroht haben.
«So konkret habe ich das nicht», sagte Spahn am Sonntag in der ARD-Sendung «Miosga» dazu. «Ich führe einfach freundliche, klare Gespräche, ich drohe nicht.» Es sei aber klar, dass «über Szenarien und Konsequenzen» gesprochen werde.
Kein Plan B für ein Scheitern
Wenn der Bundestag dem Rentenpaket am Freitag zustimmt, entscheidet am 19. Dezember der Bundesrat. Wenn auch die Länderkammer grünes Licht gibt, kann das Gesetz am 1. Januar in Kraft treten.
Wenn alles schief läuft am Freitag, dann steckt die Koalition ganz tief in einer existenziellen Krise. Über einen Plan B möchte noch niemand so recht reden. Spahn sagte vor der Fraktionssitzung auf die Frage, ob er politische Konsequenzen ziehen werde, wenn das Gesetz scheitert: «Das ist ganz einfach. Wenn wir ein Gesetz zur Abstimmung stellen, dann muss und wird es eine Mehrheit bekommen.» Und wenn nicht? «Das wird es.»