Die Ampel will das Bundesverfassungsgericht wetterfest für den Fall machen, dass Extremisten politisch die Oberhand gewinnen. Der Bundespräsident springt ihr bei - ein Signal an die zaudernde Union.
Zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Politik und Gesellschaft zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung für die Verteidigung der Demokratie und ihrer Institutionen aufgerufen. Dabei plädierte er am Donnerstag in Berlin vor allem dafür, das Bundesverfassungsgericht vor möglichen Angriffen auf seine Unabhängigkeit zu schützen.
«Wir müssen verhindern, dass eine extremistische Minderheit unsere Institutionen funktionsunfähig macht», sagte Steinmeier in einem Debattenforum zur Demokratie in seinem Amtssitz Schloss Bellevue. Nötig sei insgesamt ein «Schulterschluss der Demokraten in diesem Land».
Steinmeier fordert «eine ernsthafte Debatte»
Mit Blick auf Karlsruhe warnte der Bundespräsident, in Staaten wie Polen und Ungarn habe die Unabhängigkeit der höchsten Gerichte immer zuerst im Zentrum von Angriffen auf die liberale Demokratie gestanden. «Deshalb halte ich den Gedanken für richtig, Regelungen für die Struktur des Gerichts, das Wahlverfahren und die Amtszeiten der Richter ins Grundgesetz aufzunehmen. Regelungen, die dann auch nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden könnten.»
Er verkenne die Tragweite und Komplexität einer solchen Regelung nicht, sagte Steinmeier. «Dennoch: Meines Erachtens ist jetzt die Zeit, über Inhalt und Umfang einer solchen Verfassungsergänzung nachzudenken. Es wäre gut, wenn dazu eine ernsthafte Debatte in Gang käme.»
Die Ampel-Parteien wollen mit der Union eine Änderung des Grundgesetzes herbeiführen, um dort die von Steinmeier angesprochenen Punkte zu verankern. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass bei einem Erstarken extremer Parteien zum Beispiel vergleichsweise einfach Richter aus dem Amt entfernt werden könnten.
Schutz vor Extremisten benötigt
Die Union hat die ersten Gespräche aber mit der Erklärung beendet, sie sehe derzeit keinen zwingenden Bedarf für eine solche Verfassungsänderung. Inzwischen stellte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz klar, dass die Union selbstverständlich für eine Diskussion offen sei, wenn es Vorschläge geben sollte, das Bundesverfassungsgericht noch besser vor Demokratiefeinden zu schützen. Im Moment sehe die Union solche Vorschläge aber nicht.
Juristische Berufsorganisationen wie der Deutsche Anwaltverein und der Deutsche Richterbund forderten die Parteien auf, zu einer Lösung zu kommen. «Es ist an der Zeit, die Verfassungsgerichte in Bund und Ländern auch verfassungsrechtlich gegen Blockaden abzusichern und besser vor zielgerichteten Eingriffen zu schützen», hieß es in einem gemeinsamen Aufruf.