Amazon vernichtet systematisch Neuware und funktionsfähige Retouren in seinen deutschen Logistiklagern. Das Bundesumweltministerium spricht von einem "riesengroßen Skandal", Greenpeace ist empört. inFranken.de liegt die komplette Stellungnahme von Amazon vor.
Skandal um Amazon - der Onlinehändler sieht sich mit heftigen Vorwürfen konfrontiert: Laut Berichten des ZDF-Magazins "Frontal 21" und der "Wirtschaftswoche" vernichtet das Unternehmen in seinen deutschen Logistiklagern regelmäßig Neuware und funktionsfähige Retouren im großen Stil. Die Rede ist von Produkten mit einem Wert von Zehntausenden Euro, darunter Handys und Tablets, weiße Ware (also zum Beispiel Waschmaschinen, Spülmaschinen, Kühlschränke), Möbel und Matratzen. Mehrere Angestellte berichten übereinstimmend, Amazon würde nicht nur defekte Retouren, sondern auch voll funktionstüchtige zurückgeschickte Produkte und sogar nagelneue Ware zerstören. Amazon bestreitet die Vorwürfe nicht. Das Bundesumweltministerium spricht von einem "riesengroßen Skandal" und fordert eine Aufklärung der Vorwürfe. Auf Anfrage schickte Amazon inFranken.de eine ausführliche Stellungnahme zu den Vorwürfen zu.
Update vom 08.06.2018, 13:38 Uhr: Amazon nimmt Stellung - das Statement in voller Länge
"Amazon engagiert sich dafür, Warenabfall zu vermeiden und arbeitet kontinuierlich an der Verbesserung von Nachfrageprognosen, um die Anzahl an nicht verkauften Artikeln zu minimieren. Darüber hinaus stellen wir Verkäufern Tools und Informationen zur Verfügung, damit auch sie die Nachfrage ihrer Produkte und den Warenbestand bei Amazon besser vorhersagen können.
Für Produkte, die von Kunden zurückgegeben oder nicht verkauft werden, haben wir mehrere Programme, um die Entsorgung von Produkten weiter zu reduzieren. Hierzu gehört der Verkauf von zurückgegebenen Produkten über Amazon Warehouse, Produkte an gemeinnützige Organisationen zu spenden, sie zu recyceln oder an Wiederverkäufer weiterzugeben, die sie weiter veräußern.
Mit unserem Programm Amazon Warehouse können viele Produkte weiterverkauft werden, die zurückgegeben wurden und neu oder kaum benutzt sind. Jede Rücksendung an Amazon durchläuft eine strenge Inspektion, wird qualitätsgeprüft, falls erforderlich repariert, neu verpackt und wann immer möglich auf Amazon.de/warehousedeals weiterverkauft.
Falls zurückgegebene oder nicht verkaufte Ware nicht über Amazon Warehouse weiterverkauft werden kann, nutzen wir Produktspendenprogamme: Wir arbeiten mit der gemeinnützigen Plattform innatura zusammen, die Sachspenden an gemeinnützige Organisationen vermittelt und die wir seit 2013 als Gründungsmitglied unterstützen. Auf diesem Wege haben bereits rund 500 soziale Einrichtungen von Amazon-Spenden profitiert. Die Spenden umfassen unter anderem Spielzeug, Schuhe, Kleidung oder Drogerie-Artikel. Für Lebensmittelspenden arbeiten wir mit einer Reihe von lokalen Tafeln zusammen.
Wenn Produkte nicht verkauft, weiterverkauft oder gespendet werden können, arbeiten wir mit Aufkäufern von Restbeständen zusammen, die diese Waren über andere Kanäle weiterverkaufen."
Originalmeldung: Warenvernichtung bei Amazon - "Verbraucher werden das nicht akzeptieren"
"Das ist ein riesengroßer Skandal, denn wir verbrauchen auf diese Weise Ressourcen mit allen Problemen insgesamt auf der Welt", so Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. "Ein solches Vorgehen passt einfach nicht in diese Zeit. Ich bin überzeugt, dass viele Verbraucher von einem solchen Verhalten schockiert sind und es auch nicht akzeptieren werden." Klaus Töpfer, Bundesumweltminister a.D., bezeichnet Amazons Vorgehen als "unverantwortlich". Greenpeace-Expertin Kirsten Brodde fordert Konsequenzen aus dem Skandal: "Wir brauchen ein gesetzliches Verschwendungs- und Vernichtungsverbot für neuwertige und gebrauchsfähige Ware."
Amazon-Stellungnahme: Um Schadensbegrenzung bemüht
Amazon sieht sich in die Defensive gedrängt und ist um Schadensbegrenzung bemüht: Man arbeite täglich an der Optimierung von Prozessen, um so wenig Produkte wie möglich entsorgen zu müssen. Wenn Produkte nicht verkauft, weiterverkauft oder gespendet werden könnten, arbeite Amazon mit Aufkäufern von Restbeständen zusammen, die diese Waren weiterverwendeten. Nicht zu vergessen: Amazons "Warehouse"-Deals, wo gebrauchte und retournierte Waren zu vergünstigten Preisen angeboten werden. Wie es trotz dieser Maßnahmen zur Vernichtung von (Neu-)Waren im Wert von mehreren zehntausend Euro kommen kann, erklärte Amazon nicht. Mit der bislang vorliegenden Stellungnahme dürfte Amazon nicht davonkommen - das Umweltministerium fordert Aufklärung.
Systematische Vernichtung: Waren werden mit "Destroy" gekennzeichnet
Dafür, dass die Zerstörung der funktionierenden Retouren und Neuwaren keine einmalige Angelegenheit war, sondern in den Logistiklagern an der Tagesordnung ist, spricht Amazons interne Kennzeichnung der zu vernichtenden Waren. Diese werden mit der Versandmethode "Destroy" ("zerstören") ausgezeichnet. Die systematische Vernichtung betreibt Amazon offenbar nicht nur mit eigenen Waren, sondern auch mit den Produkten externer Anbieter auf dem Amazon Marketplace, die den "Versand durch Amazon" nutzen. In Amazons Angebotsübersicht heißt es hierzu: "Sie können Ihren Lagerbestand auf Wunsch von uns entsorgen lassen". Laut "Frontal 21" zeigen interne Dokumente, dass der Service offenbar rege genutzt wird. Auf entsprechenden, dem Magazin vorliegenden Produktlisten tauchen beispielsweise "Kinderturnschuhe, Kopfhörer sowie Hunderte weitere Artikel auf - für einen einzigen Tag, in einem einzigen Lager." Alle seien intern mit der Versandmethode "Destroy" gekennzeichnet worden.
Amazon-Skandal: Die Nutzer sind empört
Die Empörung über Amazons Verhalten ist groß,
auf Twitter lassen die Nutzer Dampf ab. "Hier muss man konsequent sein. Amazon ist nicht der einzige Onlinehändler. Außerdem sollte man lieber kleine Geschäfte vor Ort unterstützen und keine weltweiten Konzerne!", schreibt beispielsweise Nutzer SunBeamJimm. "Prime Abo ist gekündigt! Bei so einem Unternehmen will ich nicht länger einkaufen! Account wird gelöscht!" Auch
auf Facebook machen viele User ihrem Ärger Luft - über die "Unverantwortlichkeit" von Amazon, den "Turbokapitalismus" und die "perverse Wohlstandsgesellschaft". Während früher ein Fachmann defekte Ware repariert habe, werde sie heute vernichtet, schreibt ein Facebook-Nutzer.
Wir haben Amazon um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten, bislang aber keine Rückmeldung erhalten. Wir halten Sie über neue Entwicklungen auf dem Laufenden.