"Simplicissimus" der Bamberger Calderón-Spiele kann nicht überzeugen

2 Min
Simplicissimus (Bertram Maxim Gärtner) und die Rittmeisterin (Anna Döing) Foto: Martin Kaufhold
Simplicissimus (Bertram Maxim Gärtner) und die Rittmeisterin (Anna Döing)  Foto: Martin Kaufhold
Foto: Martin Kaufhold
Foto: Martin Kaufhold
 
Foto: Martin Kaufhold
Foto: Martin Kaufhold
 
Foto: Martin Kaufhold
Foto: Martin Kaufhold
 
Foto: Martin Kaufhold
Foto: Martin Kaufhold
 
Foto: Martin Kaufhold
Foto: Martin Kaufhold
 

Der "Simplicissimus" der Calderón-Spiele ist ein zeitlos Getriebener. Fesseln kann die Figur dennoch nicht.

Die Tribüne in der Alten Hofhaltung umgedreht, ergo den Dom am Freitag in lauer Abendstimmung vor sich und ebenso ein saftiges Historienspektakel: Das konnte was werden.

Es wurde schon was, nur nicht das, was vermutlich die Majorität des Publikums erwartet hatte. Dass Regisseur und Autor Tobias Goldfarb Grimmelshausens barocken Monumentalroman "Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch" für ein knapp zweistündiges Drama auf wenige Szenen eindampfen musste, versteht sich von selbst. Freilichttheater oszilliert häufig zwischen den Polen Kunst und Unterhaltung. Goldfarb und seine Koregie aus Ehefrau Laura und deren Zwillingsschwester Lisa Quarg neigen sehr zur Kunst. Das wäre legitim, wenn das überzeugend geschähe, eine Linie sich durchs Spiel zöge. Das ist hier nicht der Fall. Goldfarbs Uraufführung wirkt zerfasert, uninspiriert, ja vor allem im zweiten Teil konzeptlos.


Fantasie-Dialekt

Es fängt ja noch harmlos an. Viele werden den Roman von 1668 mit drastischen Schilderungen der Schrecken des Dreißigjährigen Kriegs aus dem Schulunterricht kennen - wenigstens die ersten Kapitel. Wir sehen also Simplicius (Bertram Maxim Gärtner) als tumben Tor im Spessart mit Meuder (Iris Hochberger, auch als Obristin) und Knan (Eckhart Neuberg, auch als Kavalier und Jupiter) im Fantasie-Hessisch parlieren. Erster Regie-Fehler: Niemals Schauspieler einen Dialekt sprechen lassen, mit dem sie nicht aufgewachsen sind. Durch Soldaten vertrieben, absolviert Simplicius seine Lehrjahre beim frommen Einsiedel (Volker Ringe, auch als Olivier und Priester), bevor er nach dessen Tod in eine dekadente Adelsgesellschaft gerät, die säuft und hurt und so richtig unchristlich in mehreren Etagen des Bühnenbilds von Ausstatterin Beata Kornatowska herumturnt. Das besteht aus ineinander verschränkten Metallträgern, Leitern, Betten, Wäsche, sehr aufwändig - nur haben aufgrund der Gesamtkonstruktion Zuschauer auf den hinteren Rängen Probleme, das Spiel unmittelbar vor der Tribüne zu verfolgen.


Wenig Schelmisches

Dieser Simplicissimus ist kein Schelm, er ist ein Getriebener wie in einem expressionistischen Stationendrama und brüllt seinen Weltschmerz und -ekel auch stets kräftig hinaus. Sei es bei seiner Verwandlung in ein närrisches Kalb durch Pseudodämonen, bei seinem Aufstieg zum Jäger von Soest samt Doppelgänger, bei seiner schlussendlichen Weltentsagung, nachdem ihm seine adlige Herkunft offenbart worden ist. Zu lachen hat dieser depressive Pikaro und haben die Zuschauer nichts. Selbst die bekannte Flatulenz-Szene wirkt beklemmend, die erotischen Derbheiten, das nackte Gesäß der Titelfigur aufdringlich - und überflüssig. Simplicissimus' Herzbruder ist hier eine Johanna (Ronja Losert), die einmal als Kriegsberichterstatterin fungiert. Es ist ein überzeitlicher Krieg, nicht fokussiert auf die Glaubenskämpfe des 17. Jahrhunderts. Die Kostüme wirken trashig, wie aus den "Piraten der Karibik" oder von einer englischen New-Romantic-Band der 80er. Mariachi-Musik zur Fress- und Sauforgie, dazwischen Quadro Nuevo, wir verstehen schon, dass das nicht die Popmusik des Landsknechts sein soll.

Als Jupiter und Ganymed ihre philosophischen Diskurse führen, spürt man die über den Köpfen der Zuschauer schwebenden Fragezeichen geradezu körperlich. "Der größte Teufel in der Welt ist der Mensch", nehmen wir mit, und dass Schlagen und Geschlagenwerden in einer Gesellschaft ohne Erbarmen zur Raison d'Être wird. Das Schauspielerteam, durch die Mehrfachbesetzungen enorm gefordert, leistet wieder einmal Vortreffliches und erhielt artigen Applaus.

Bleibt die Frage, ob das trotz ein bisschen Piffpaff eine Arme-Leute-Inszenierung war, Trash oder doch Bühnenkunst. So recht entscheiden konnte sich diese Inszenierung nicht. Immerhin eines gelang perfekt: Die Tontechnik arbeitete präzise wie die heimische Hi-Fi-Anlage.

Termine und Karten

Weitere Vorstellungen
13.-17., 19., 21., 22., 23. Juli, Alte Hofhaltung, Bamberg Karten Telefon 0951/873030, E-Mail kasse@theater.bamberg.de, Restkarten an der Abendkasse Dauer ca. 2 Std., eine Pause