Schuld und Sühne in Nordirland

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Ian (Heimo Essl, li.) und Jimmy (Michael Hochstrasser) im Clinch Foto: Staatstheater Nürnberg/Marion Bührle
Ian (Heimo Essl, li.) und Jimmy (Michael Hochstrasser) im Clinch  Foto: Staatstheater Nürnberg/Marion Bührle
 

"In aller Ruhe", vom Staatstheater Nürnberg bei den Bayerischen Theatertagen in Bamberg aufgeführt, behandelt den Konflikt in Nordirland.

3. Juli 1974. Fußball-Weltmeisterschaft. Polen gegen Westdeutschland. Am Ende gewinnt die BRD das Spiel. 90 Minuten sind da vergangen, in denen in der nordirischen Hauptstadt Belfast bei einem Terroranschlag der IRA in einem Pub sechs Menschen ums Leben gekommen sind. Eine Bombe, geworfen von einem 16-Jährigen in eine Runde Bier trinkender, Fußball schauender Männer, ist Ausdruck des gewalttätigen Konflikts zwischen katholischen Nationalisten und protestantischen Unionisten.
36 Jahre später dominiert die Tat noch immer das Leben der beiden Protagonisten von "Quietly - In aller Ruhe", einem Stück des aus Belfast stammenden Dramatikers Owen McCafferty. Im Dezember letzten Jahres fand dessen deutschsprachige Erstaufführung am Staatstheater in Nürnberg statt. Als Beitrag zu den Bayerischen Theatertagen brachte "In aller Ruhe" die Themen Schuld, Reue und Versöhnung auf die Studio-Bühne.
Die Inszenierung der in Großbritannien arbeitenden Regisseurin Patricia Benecke arbeitet eng am Text. Dieser rückt das Treffen zweier Männer, Jimmy (Michael Hochstrasser in einer Paraderolle als Zyniker) und Ian (Heimo Essl als nicht minder kraftvoller Konterpart), in den Mittelpunkt sowie deren Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit. Ersterer ist der Sohn eines der Opfer, die Tat hat ihn naturgemäß traumatisiert. Letzterer ist der Täter von damals, auch er ein gebrochener Charakter. Ergänzt wird das Duo um den polnischen Barkeeper Robert - Thomas L. Dietz gibt einen robusten Immigranten -, der, als Schiedsrichter in einem gestreiften Poloshirt gewandet (Kostüme: Annemarie Bulla), zwischen den beiden Kontrahenten steht.

Zu viel Optimismus

Die werkgetreue Inszenierung des Staatstheaters Nürnberg kommt ohne Pathos aus, sie ist mehr Sprech- als Handlungstheater, was mitunter ermüdet. Für Abwechslung sorgt das kluge Bühnenbild Elena Köhlers, das die Zuschauer zu Pub-Besuchern macht. Wie ein Trichter laufen die verschiedenen Ebenen zusammen, erzeugen eine Sogwirkung, die den Bombenkrater ebenso symbolisiert wie den Strudel der Vergangenheit und die sich kreuzenden Lebensläufe. Über der neuen Bar hängt die alte auf dem Kopf von der Decke, Reste der Kleiderfetzen von damals inklusive. Bierflaschen werden daraus hervorgezogen. Denn obschon die politische Verblendung von Jimmy und Ian noch immer zur Eskalation führen könnte, wenn auch zwei gelebte Leben hinter ihnen liegen, hat sich eines nicht geändert: Zum Fußball scheint damals wie heute Bier zu gehören.
Wenn das Theater Fragen aufwerfen soll, dann hat diese Inszenierung das erfüllt. Jedoch reichen sich Jimmy und Ian am Schluss des Stücks mit etwas zu viel Optimismus in einer Versöhnungsgeste die Hände. Draußen indes tobt schon wieder ein neuer Konflikt. Diesmal heißt es: nationalistische Iren gegen eingewanderte Polen. Nun muss der Barmann Robert sich zur Wehr setzen. Gewalt kennt eben kein Ende.