Weiter heißt es im Papier, nationale müssten durch europäische Klimaziele ersetzt werden. "Es hilft dem Klimaschutz nicht, wenn Deutschland als vermeintlicher globaler Vorreiter möglichst schnell und folglich mit vermeidbaren wirtschaftlichen Schäden und politischen Verwerfungen versucht, seine Volkswirtschaft klimaneutral aufzustellen." Deutschland solle auf europäischer Ebene insbesondere die Abschaffung der Regulierungen zur Energieeffizienz, Gebäudeenergieeffizienz und der Flottengrenzwerte für Autokonzerne durchsetzen.
Heizungsgesetz bald Vergangenheit?
Bei Angleichung der nationalen und europäischen Ziele könnten die Bundesförderung effiziente Gebäude und die Bundesförderung effiziente Wärmenetze reduziert oder zeitlich gestreckt werden, heißt es im Papier. Im Gebäudeenergiegesetz - oft als Heizungsgesetz bezeichnet - könne der Zeitpunkt, ab dem Heizungen vollständig klimaneutral sein müssen, um fünf Jahre verschoben werden, der Anteil erneuerbarer Energien dabei von 65 Prozent bei neuen Heizungen zunächst abgesenkt und erst später erhöht werden. Das Förderprogramm Klimaschutzverträge könnte ebenfalls weitgehend entfallen - das zielt auf eine Maßnahme Habecks.
Als wegweisend für den Fortbestand der Koalition aus SPD, Grünen und FDP gilt die sogenannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, die für den 14. November geplant ist. Dort wird über den Haushalt 2025 entschieden. Spekulationen über eine vorzeitige Auflösung der Ampel-Koalition wies Regierungssprecher Hebestreit am Freitagmittag - vor Bekanntwerden des neuen Lindner-Papiers - zurück. "Ich habe nicht den Eindruck, dass irgendwer dabei ist, sich in die Büsche zu schlagen", sagte Hebestreit in Berlin. Er machte deutlich, "dass man konstruktiv die nächsten knapp elf Monate bis zum regulären Wahltermin für die nächste Bundestagswahl miteinander zusammenarbeiten wird".
Im Papier Lindners ist mit Blick auf bestehende Milliardenlücken im Haushaltsentwurf von der Notwendigkeit einer weiteren Senkung der Ausgaben die Rede. Der Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2025 und der Finanzplan bis 2028 unternähmen Schritte zur "quantitativen Normalisierung und qualitativen Verbesserung des Bundeshaushalts". Mit Blick auf die gesenkte Konjunkturprognose und die trübere Steuerschätzung heißt es, diese Schritte seien nicht ausreichend.
Kürzungen bei Bürgergeld und Asylpolitik
Im Papier heißt es, der höhere Verschuldungsspielraum durch die Anpassung der sogenannten Konjunkturkomponente der Schuldenbremse müsse ausschließlich zum Ausgleich der Mindereinnahmen verwendet werden. Die geplante Subvention für Intel sollte nicht nur verschoben werden, sondern ganz entfallen, heißt es im Papier. Die bisher gebundenen Mittel von insgesamt 10 Milliarden Euro könnten aus dem Klima- und Transformationsfonds entnommen werden - das ist ein Sondertopf des Bundes. Der kriselnde Chipkonzern Intel hatte den Bau eines Werks in Magdeburg verschoben.
Im Papier ist die Rede von einer "Wende in der Asyl- und Arbeitsmarktpolitik". Durch eine niedrigere Zahl der Asylerstanträge fielen die Zahlungen an Länder und Kommunen zur Unterstützung durch den Bund geringer aus. Die Bürgergeld-Regelsätze seien 2024 überproportional gestiegen. "Sie liegen im Jahr 2025 weiter über dem Bedarf und sollten daher durch die Abschaffung der "Besitzstandsregelung" abgesenkt werden, um Arbeitsanreize zu stärken." Weiter heißt es im Papier, Abschläge bei frühzeitigem Renteneintritt sollten angepasst werden.
Von Beobachtern im politischen Berlin wurden Vergleiche gezogen zu einem Konzept des damaligen Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff (FDP) in der sozialliberalen Koalition unter Kanzler Helmut Schmidt (SPD). Das Papier aus dem Jahr 1982 machte eine Reihe von Vorschlägen für eine "Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit" - und ist als "Scheidungsbrief" in die Geschichte eingegangen. Wenige Tage später, am 1. Oktober 1982, wurde Helmut Kohl (CDU) mit einem konstruktiven Misstrauensvotum zum neuen Bundeskanzler gewählt.
Der finanz- und haushaltspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Sebastian Brehm, nannte Lindners Grundsatzpapier "Ausdruck nackter Verzweiflung über eine ausweglose Finanzlage und eine desaströse Lage seiner Partei". Lindner und die FDP seien aber Teil und Mitverursacher der Probleme, die das Land quälten.