Die Attacken des Kanzlers gegen Merz bezogen sich erneut vor allem auf den Eklat Ende Januar, als die Union mit den Stimmen der AfD einen Fünf-Punkte-Plan zur Migration durch den Bundestag brachte. Er warf Merz erneut "Zockerei" vor. "Die Bürgerinnen und Bürger wissen jetzt: Wenn Friedrich Merz den Kompromiss unter Demokraten zu schwierig findet, dann macht er gemeinsame Sache mit denen da", sagte Scholz. Deshalb gehe es bei der Bundestagswahl nun darum, "Schwarz-Blau unmöglich zu machen".
Merz: "25 Minuten abgelesene Empörung"
Merz konterte die Rede mit den Worten: "Was war das denn? 25 Minuten abgelesene Empörung über den Oppositionsführer. Herzlichen Glückwunsch, Herr Bundeskanzler." Der SPD-Kanzlerkandidat verwechsele die Bundestagssitzung wohl mit einem Juso-Bundeskongress.
Der CDU-Chef versprach erneut, dass die Union nicht mit der AfD koalieren werde. Er nutzte seine Rede für eine Generalabrechnung mit drei Jahren Regierungsarbeit vor allem von SPD und Grünen - die FDP verschonte er. Scholz und sein Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kämen ihm so vor wie zwei angestellte Geschäftsführer, die ein Unternehmen vor die Wand gefahren hätten und anschließend den Eigentümern vorschlagen würden: "Wir würden das jetzt gerne nochmal vier Jahre so weiter machen. So kommen Sie mir vor."
Die Regierung hinterlasse ein "schieres Desaster" auf dem Arbeitsmarkt. Scholz verlasse das Bundeskanzleramt mit fast drei Millionen Arbeitslosen, fast 400.000 mehr als zu Beginn der Amtszeit. Zudem habe es in dieser Zeit 50.000 Unternehmensinsolvenzen gegeben und einen Kapitalabfluss in einer Größenordnung von rund 100 Milliarden Euro im Jahr. "Sie nehmen offensichtlich die Wirklichkeit überhaupt nicht mehr wahr", rief Merz in Richtung Scholz.
Habeck: "Wenn Europa umfällt, ist es vorbei mit dem Klimaschutz"
FDP-Chef Christian Lindner zeigte sich erschüttert über das Auftreten von Scholz und Merz zuletzt auch im TV-Duell am Sonntag. "Es ist eine erschreckende Aussicht, dass Sie beide das Land miteinander alleine regieren könnten", sagte er.
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck widmete seine Rede vor allem dem Klimaschutz - ein Thema, das im Wahlkampf bisher kaum wahrgenommen wird. Es dürfe nicht auf der Strecke bleiben, mahnte er. "Wir können kein Land haben, das regiert wird von Leuten, die Sorge haben, Probleme anzufassen." Die Welt werde es verkraften, wenn die USA zeitweise aus dem globalen Klimaschutz ausstiegen. Wenn dies aber Deutschland tue, werde Europa seine Ziele nicht einhalten können. "Wenn Europa umfällt, dann ist es vorbei mit dem globalen Klimaschutz."
Merz blickte in seiner Rede auch auf die Zeit nach dem 23. Februar und rief die Parteien der demokratischen Mitte dazu auf, sich dann kooperationsbereit zu zeigen. Bis zur Wahl werde man hart kämpfen, sagte er. Aber dann sollten "wir in der breiten politischen Mitte", die Probleme des Landes so lösen, "dass der Populismus in unserem Land, sei er von links oder sei er von rechts, nicht noch stärker wird", betonte Merz. "Das ist eine Verantwortung, der können Sie sich nicht entziehen und der werden wir uns auch nicht entziehen."
Bundestagspräsidentin mahnt: Bedrohungen und Angriffe nehmen zu
Bei vielen Abgeordneten steht schon fest, dass sie dem neuen Parlament nicht angehören werden. Dazu gehört Kevin Kühnert, der im Oktober aus gesundheitlichen Gründen als SPD-Generalsekretär zurückgetreten war. Er verabschiedete sich mit einem leidenschaftlichen Appell zur Verteidigung der Demokratie: "Schützen wir das, was wir lieben. Schützen wir unsere Demokratie."
Am Ende der von gegenseitigen Attacken geprägten Debatte gab es noch ein mahnendes Schlusswort von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Ihr mache eine zunehmende Verrohung der Gesellschaft Sorgen, sagte die SPD-Politikerin. "Im bisherigen Wahlkampf waren Verunglimpfungen, Bedrohungen und Angriffe auf Wahlhelferinnen und Wahlhelfer nahezu alltäglich, genauso wie Attacken auf Politikerinnen und Politiker. Das ist eine große Gefahr für unser gesellschaftliches Miteinander und unsere Demokratie."
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